B i e r.
Von Dr. Carl Lintner,
Professor in Weihenstephan.
Die Bierbrauerei hat in den letzten Decennien einen riesenhaften
Aufschwung genommen und zwar nicht nur auf dem continentalen Ge
biete, sondern selbst weit darüber hinaus, wie denn auch auf der
Wiener Weltausstellung Nord- und Südamerika durch Ausstellung
ihrer Biere vertreten waren. Ueberhaupt ist die Kunst des Bier-
brauens aus dem Stadium eines empirischen Gewerbes herausgetreten
und ist bereits auf dem besten Wege, zu einer ihrer Zwecke klar be
wussten Disciplin der Zymotechnik heranzuwachsen. Besonders hat
der bauliche und mechanische Theil der Bierbrauerei ausserordentliche
Fortschritte, theils in der Errichtung zweckmässiger Malz-, Gähr- und
Lagerkeller, theils in der Adaptirung der Dampfkraft und Anlage ent
sprechender Malzdarren, Brau- und Kühlvorrichtungen gemacht, wäh
rend dagegen der chemisch-physiologische Theil erst in der allerjüng
sten Zeit, unterstützt durch die trefflichen Arbeiten hervorragender
Chemiker und Pflanzenphysiologen, fruchtbringend in der ausübenden
Praxis der Bierbrauerei zu werden beginnt. Während die Bereitung
der obergährigen Biere in den letzten Decennien nur wenige Verände
rungen erfahren hat, ist man in der Darstellung der untergährigen
Biere wesentlich fortgeschritten und ist nun im Stande, Biere herzu
stellen, welche durch ihre Güte und Haltbarkeit immer mehr und mehr
den Markt erobern.
Die Rohmaterialien.
Hier nimmt immer noch die Gerste die erste Stelle ein, indem
Mais, Reis, Kartoffeln, Stärke, Stärkezucker im Allgemeinen nur in
verhältnissmässig geringen Quantitäten zu theilweisem Ersatz def
Gerste (des Malzes) verwendet werden.
Die Gerste ist desswegen von allen Getreidearten am besten zur
Brauerei geeignet, weil ihr Stärkegehalt in verschiedenen Jahrgängen