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die erste Rolle in der Porzellanindustrie, die Führung des Geschmacks
zu sichern.
Das Rococo - an dem Meißen noch immer klebte .- wurde ver-
lassen, und es machte sich - ein ganz colossaler Wandel - an Stelle
dessen jener eigenartig antikisirende Styl geltend, der an den heute so
hochgeschätzten Altwiener Producten charakteristisch ist: Steife, gerade
Formen mit antiken Decorationsmotiven. In der Plastik: Glasur und
Farbe, die den Werken des Rococo Leben und Frische verliehen, ver-
lassen - das unglasirte, zu weichem Halbglanz gebrannte Porzellanbisquit
entsprach dem antiken Marmor, dem hohen, ernsten Style besser. Aus
dieser Periode stammen jene Colossalgruppen, Büsten u. s. w., die, einzig
und allein in Wien zu Stande gebracht, den Neid aller übrigen Porzellan-
Manufacturen gebildet haben. Seit 1744 trugen die Wiener Fabrikate das
österreichische Wappenschild - zuerst vertieft in die _Masse eingedrückt,
dann blau unter Glasur.
Unter SorgenthaPs Nachfolger Niedermayer wurde das künstlerische
Moment womöglich noch schärfer betont, namentlich die Porzellanmalerei
über die Grenzen eines decorativen Behelfes zur selbständigen Kunst ge-
trieben, wie sie sich bis heute gewissermaßen als ein Vermächtniss der
alten Fabrik in Wien als- Specialität erhalten hat.
Aus der Niedermayefschen Zeit stammen jene kostbaren großen
Gemälde, Copien aus dem Belvedere, die mehr als Kunstwerke denn als
Porzellanfabricate bewundert werden wollen.
(Fortsetzung folgt.)
Auszug aus einem Nürnberger Reisebriefe.
A. v. D. - Die Nürnberger Ausstellung stellt sich der Organisation
wie dem Inhalte nach, als eine ganz bedeutende Leistung dar, wenn man
den für uns einzig richtigen Standpunkt ihr gegenüber einnimmt, d. h.
wenn man berücksichtigt, dass sie, der Volkszahl Baierns gemäß, nicht
einmal den achten Theil des Zollvereinsgebietes vertritt, und dass
gerade einige Massenproductionen Deutschlands, wie die Textilindustrie,
außerhalb des hier repräsentirten Landstriches sich befinden. Einiger-
maßen verunglückt erscheinen nur die in reizenden Parkanlagen situirten
Ausstellungsbauten, die zwar ganz praktisch disponirt, aber kleinlich,
unruhig und willkürlich decorirt sind. Diese phantastisch ausgeschmückten
Facaden sind insoferne lehrreich, als sie zeigen, wohin die Liebhaberei
für die so viel gepriesene deutsche Renaissance und für die malerische
Richtung selbst bedeutende Talente führen kann.
Die Maschinenindustrie, das Verkehrswesen, die landwirthschaftlichen
Großgewerbe Baierns und die zahlreichen industriellen Specialitäten
Nürnbergs haben großartig ausgestellt. Die Kunstgewerbe tragen, einige