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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIX (1884 / 220)

lange Folge der Behörden, der Beamten, die Hierarchie eines halben Jahr- 
tausends; das politische und sociale, das ötfentliche und Privatleben öffnet 
sich unserem Einblicke; so finden wir ofticielle Urkunden des Landes, 
seiner Provinzen, der Städte und Gemeinden. Selbst die lnsignien und das 
Wappen des Statthalters liegen uns vor. Verordnungen, Kundmachungen, 
Steuerlisten, Stipulationen über Abgaben in Naturalien, Lieferungslisten, 
Verrechnungen, Quittungen, Bestellscheine aller Art wechseln mit Kauf- 
und Pachtverträgen, Ehescheidungen, Urkunden in Wechselgeschäften 
u. s. w. Welcher Gewinn sich daraus für die Culturgeschichte und für 
antiquarische Forschungen ergibt, leuchtet ein. 
Das Formular der Urkunden selbst ladet zu einer ebenso anziehenden 
als fruchtbringenden Untersuchung ein und es wird immer mehr gelingen, 
an der Hand der Abfolge demotischer, ptolemäischer, römischer und byzan- 
tinischer Urkunden die Einwirkung der geschlossenen Organi- 
sation Aegyptens auf die griechische Diplomatik nachzuweisen. 
ln den Urkunden selbst finden sich aber auch kostbare Andeutungen 
der jeweiligen Art der Zeitrechnung; und so zeigt sich denn zu unserem 
Erstaunen, dass noch im Vll. Jahrhundert n. Chr. eine Chronologie in 
Aegypten bestand, welche auf den Grundsätzen der alten Pharaonenzeit 
beruhte. Welchen Werth überdies anderweitige Angaben in Indictionen, 
Regierungs- und Consulatsjahren und Jahren der diocletianischen Aera 
für uns haben, ist leicht begreiflich. 
Bei dem fast gänzlichen Versiegen der Quellen für die Metrologie 
des IV. bis Vlll. Jahrhunderts ist uns bis vor Kurzem noch der Einblick 
in das Geldwesen jener Zeit versagt gewesen; durch unsere Papyri ist 
es nun möglich, eine genaue und bestimmte Kenntniss jener 
Geldrechnung zu gewinnen, um so mehr, als vielfach Uebertragungen 
aus einer Währung in die andere, Agiotagerechnungen, Münzbeschreibungen 
und Zinsrechnungen vorliegen. 
Auch lernen wir noch mehrere bisher unbekannte Hohl- und 
Flächenmaße, ferner ein eigent-hümlichcs System von Zahlzeichen 
zum ersten Male kennen; so liegen uns denn auch Schulrechnungen und 
Uebungen im Zitferschreiben in mehreren Exemplaren vor. 
Mehrere Papyri und Pergamene lassen uns auch in die Art des 
damaligen Schulunterrichtes in anderen Elementargegenständen 
einen Blick werfen; so sind uns die gleichlautenden Nachschriften mehrerer 
Schülerhände und Uebungen im F ederstricbe erhalten. Von vorgeschrittenen 
Schülern ist eine Conjugationsaufgabe geschrieben, die uns lebhaft an 
unsere eigenen schriftlichen Schulaufgaben und grammatischen Uebungen 
erinnert. Auch Blätter aus Wörterbüchern, ferner Fragmente aus Litteratur- 
werken linden sich vor. 
Da die Papyri theils in der Schriftsprache, theils im vulgären alexan- 
drinisch-ägyptischen Dialekte geschrieben sind, kann das Absterben des 
Altgriechischen, sein Uebergang zum Mittel- und Neugrie-
	        
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