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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIX (1884 / 221)

auf dem Gebiete der Hausindustrie leisten, ist relativ unbedeutend gegen- 
über den gleichen Producten der Bulgaren, welche das eigentliche Kunst- 
volk unter den Südslaven sind. Aber trotzdem müsste in Bosnien und 
der Herzegowina die Hebung der Industrie der neuerworbenen österrei- 
chischen Kronländer von der Pflege der Hausindustrie und des Hand- 
fertigkeitsunterrichtes ausgehen. Wer es heutigen Tages unternimmt, die 
Hausindustrie zu pflegen, muss vor Allem duldsam sein gegen jede natio- 
nale Eigenthümlichkeit. Die Hausindustrie aber als ein Kampfobiect gegen 
den Bürgerstand zu betrachten, ist nicht nur grundlos, sondern auch 
schädlich. Es werden daher auch alle Versuche missglücken, welche dahin 
gehen, auf dem Wege der Volksschule die Hausindustrie ihres nationalen 
Charakters zu entkleiden, und die Volksschule als Hebel einer nationalen 
Bewegung gebrauchen zu wollen. 
Wenn man hingegen die Volksschule als ein Mittel der Bildung, der 
Erziehung des Volkes auch auf industriellem Gebiete betrachtet, so ist 
dieselbe allerdings auch ein wichtiger Factor zur Förderung der Haus- 
industrie. Da aber die Magyaren und Polen als die in Oesterreich poli- 
tisch tonangebenden Völker an nichts anderes denken als an Zukunftspläne 
politischer Natur, so werden ihre Bemühungen, die Hausindustrie auf 
dem Wege der Volksschule zu fördern, scheitern. Denn ich kann nur 
wiederholen: um dieses Ziel zu erreichen, ist Toleranz nöthig, ein Geist 
der Duldsamkeit, ein Geist des Wohlwollens gegen die nationalen künst- 
lerischen Traditionen, welche in der Hausindustrie sich erhalten haben. 
Die Sprache der Hausindustrie ist die Volkssprache; diese Volkssprache 
kann man unterdrücken und eine Zeit lang bei Seite schieben; aber bei 
der ersten günstigen Gelegenheit tritt sie um so mächtiger hervor und 
stellt ihre Forderungen. 
Ebenso verderblich und unbesonnen sind jene Bemühungen, welche 
dahin zielen, auf dem Wege der Hausindustrie den Bürgerstand und seine 
gewerblichen und industriellen Bestrebungen zu bekämpfen. Würden die 
Ungarn seinerzeit es verstanden haben, die Bestrebungen der deutschen 
Colonisten, die den Bürgersinn und die bürgerliche Hausarbeit nach 
Ungarn mitgebracht hatten, mit ihren national-politischen Aspirationen 
in Einklang zu bringen, so würden sie nicht genöthigt sein, sich heu- 
tigen Tages auf künstlichem Wege einen Bürgerstand zu schaffen; denn 
die Großgrundbesitzer Ungarns, der Landadel und die Juden, welche 
gegenwärtig die magyarische Industrie zum Speculationsobject machen, 
bilden keinen Bürgerstand, im Gegentheil, sie corrumpiren das Bürger- 
thum. vwürde Ungarn die Traditionen des heil. Stephan wieder auf- 
Herrschaft in Byzanz selbst eine große Rolle gespielt auf politischem Gebiete. Seitdem 
aber Constantinnpel unter die Herrschaft der Türken gekommen ist, sind sie aus dem 
politischen Leben fast gänzlich verschwunden, haben sich aber die alten Kunsttraditionen 
und eine hohere Kunstfertigkeit als alle anderen slawischen Stämme der Balltanhalbinsel 
bewahrt.
	        
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