finden, als in der bürgerlichen Hausindustrie des Mittelalters und der
Renaissance. So lange sich diese künstlerische lndustrie im Bürgerhause
erhalten hat, hat sich auch der Gewerbestand erhalten; der Verfall des
Handwerks und der Niedergang des Gewerbes insbesondere im Bürger-
stande datirt von jener Zeit an, wo die zerstörenden Elemente der Volks-
industrie sich geltend gemacht haben. Zu diesen Elementen, welche sich
in dem letzten Jahrhundert geltend machten, muss man rechnen: die
unzeitgemäße Einführung der Gewerbefreiheit, die festgliederige und
kaum zu durchbrechencle Herrschaft des Capitalismus, und die von letz-
terem benützte Maschinenkraft, - diese Elemente legten den Bürger-
stand, insbesondere das Kleingewerbe, lahm und isolirten die alten Haus-
industrien von dem gewerblichen Leben des Bürgerstandes. Es ist nicht
ganz richtig, dass der deutsche Bürgerstand und mit ihm zugleich auch
der Gewerbestand durch den Bojährigen Krieg zerstört worden sind. Die
Zerstörungen des Boiährigen Krieges waren nur partiell und haben keines-
wegs den ganzen deutschen Gewerbestand umfasst. Auch die Napoleo-
nischen Kriege, so verderblich sie waren, weil sie die stille häusliche
Arbeit und den Gewerbefleiß in manchen Ländern vernichteten, sind kein
hinreichender Erklärungsgrund des plötzlichen Verfalles des Gewerbes,
speciell des Kleingewerbestandes. Als der maßgebende Factor des Nieder-
ganges der Gewerbe kann nur das plötzliche Eingreifen der Maschine
und das einseitige Anwachsen der Capitalskraft, welch" letztere insbeson-
dere in ihren schnell ausart-enden Formen den Gewerbefleiß auf das
tiefste erschüttert hat, gelten. Das große volkswirthschaftliche Problem
der Gegenwart liegt darin, die in's Colossale herangewachsene
Kraft des Capitals und derMaschine mit den künstlerischen
Anforderungen der Gegenwart und der sittlichen Grund-
lage der Gesellschaft im Staate und der Familie in Ein-
klang zu bringen und die Gesellschaft vor Auswüchsen zu
bewahren. Aber dazu gehören Staatsmänner, welche selbst die sitti-
genden Aufgaben der Staatsgewalt unverrückt im Auge behalten.
Was nun zuerst die Maschine betrifft, so ist mir wohl bekannt,
dass der Unterschied zwischen Werkzeug und Maschine nur ein gra-
dueller ist und parallel mit dem Unterschied zwischen Handwerk und
Fabrik läuft. Ich kann mir das Zustandekommen irgend einer Handarbeit
ohne Werkzeuge oder Maschine gar nicht denken. Jede Zeit schafft sich
die Werkzeuge und Maschinen, die sie zu gewerblicher und künstlerischer
Thätigkeit braucht. Die Entwickelung der Werkzeuge bis zur Maschine ist
also ein historischer Process, den man mit geschichtlichem Auge be-
trachten muss. Selbst, wenn man die Arbeiten aus der prähistorischen
Zeit in Betracht zieht, so sieht man, dass jene Völker nicht blos eine
Handfertigkeit als solche besessen, sondern dass sie es auch verstanden
haben, jene Werkzeuge sich zu schaffen, die sie zur Erzeugung ihrer
Arbeiten nöthig hatten. Wenn man die Arbeiten der prähistorischen Zeit