betrachtet, die stylgemäße Behandlung der Ornamente an den Gefäßen,
die richtigen, dem Zweck angepassten Formen ansieht, so wird man er-
kennen, dass schon in den damaligen Zeiten ein künstlerischer Geist im
Menschen thätig gewesen ist. In den Werkzeugen offenbart sich schon in
dieser Zeit ein erfindender Geist, der es unternommen, die Schwierig-
keiten zu besiegen, die bei Behandlung der verschiedenen Materialien
sich entgegenstellten, dass also auch schon in jener längst entschwun-
denen Epoche die Handarbeit Hand in Hand geht mit der fortschreitenden
Entwickelung der Werkzeuge, und dass auch die damalige Zeit ihre
Raphael und Palissy gehabt hat, d. h. Männer von großer künstlerischer
und technischer Erfindungsgabe. Bei diesen Bemerkungen habe ich auch
jene Zeiten im Auge, wo noch keine Drehscheibe existirte, die Verfer-
tiger von Thongefäßen dennoch die Geschicklichkeit besaßen, dieselben
vor dem Durchsickern der Feuchtigkeit zu bewahren. Die eriindungs-
reiche Art, wie jene Völker mit ihren geringen technischen Hilfsmitteln
Metallgüsse gemacht haben, wie sie es verstanden haben, in der sinn-
reichsten Weise die Löcher in ihre Steinarbeiten zu bohren, die Kunst-
fertigkeit, welche sie in den Webereien gezeigt haben, sind lauter Er-
scheinungen; die beweisen, dass eine künstlerische Anlage vorhanden war,
welche nur durch lange Uebung die erwähnten sichtbaren Resultate zu
Tage fördern konnte.
Ein anderes jüngeres Beispiel bietet die südslavische Hausindustrie,
welche durch das Entstehen von Fabriken in ihrer Existenz gefährdet ist.
Die Gründung von Fabriken in den südslavischen Ländern wird dort
nichts anderes bewirken, als die künstlerischen und technischen Fertig-
keiten, welche sich dort bis in die jüngste Zeit erhalten haben, zu zer-
stören, den künstlerischen Geist niederzudrücken, ohne dafür etwas anderes
zu bieten, als die ordinärste Arbeit, die jedes künstlerischen Geistes ent-
behrt. In allen Museen Mitteleuropa's sind in den letzten Jahren Samm-
lungen von slavonischen und serbischen Webereien angelegt worden, die
das Staunen aller Freunde der Kunstweberei hervorgerufen haben. Der
Reichthum an Mustern ist ungemein groß; jeder Ort hat seine eigenen
Muster, die Farben sind dauerhaft, erzeugt aus heimischen Pflanzensäften
von denselben Leuten, welche die Ornamente weben, Farben, welche in
der modernen Weberei gar nicht in Uebung sind und deren Anwendung
wegen ihrer Haltbarkeit doch so empfehlenswerth erscheint. Diese süd-
slavischen Webereien werden auf den denkbar einfachsten Handwebe-
stühlen hergestellt und der künstlerische Reichthum der Ornamentik ist
so groß, dass Emanuel Drahan, Professor an der Reichenberger Weberei-
schule, eben daran geht, ein Werk über die südslavische Hausindustrie
zu veröffentlichen'). Während die moderne Weberei sich theilweise müh-
') Wir sind leider genöthigt, auf den in diesem Hefte, Seite 46, enthaltenen kurzen
Nekrolog Drahan's hinzuweisen. (Anmerk. der Rad.)