rein theoretischen, sondern einen solchen, durch den er jede neue Wahr-
heit erfahre. Darum soll Emil ein Handwerk lernen; aber sein Zögling
soll kein perfecter Gentleman wie bei Locke, er soll kein Musikant oder
Edelsteinschleifer werden; lieber sähe es Rousseau, wenn sein Emil
Schuster, als wenn er Dichter würde; es wäre ihm angenehmer, dass er
pflastert, als dass er Blumen auf Porzellan male. Er soll Tischler werden,
weil es ein reinliches Handwerk ist und die meisten Erfahrungen gebe.
Durch die Arbeit soll Emil nicht nur die socialen Verhältnisse kennen,
sondern auch das Bedürfniss empfinden lernen, sich theoretische Kennt-
nisse zu erwerben. Er soll arbeiten wie ein Bauer und denken wie ein
Philosoph.
Rousseau hat nachhaltig auf seine Zeit und für die Zukunft gewirkt.
In seinem Geiste wirkten in Deutschland Basedow, Salzmann, der Gründer
des weltberühmten Erziehungsinstitutes zu Schnepfenthal, in welchem
die Arbeit geradezu die Grundlage für die intellectuelle Bildung wurde;
ferner Heusinger, Blasche, Guths-Muths, die auch durch ihre Schriften
für ihre Ideen Propaganda machten. Es ist nicht uninteressant, zu ver-
nehmen, dass man auch damals die Arbeit gegen die grassirende Studir-
sucht ausspielte. Heusinger sagt diesbezüglich: ßDie Kinder werden von
ihrem sechsten Jahre an aus Büchern und durch Bücher unterrichtet.
Was Wunder, wenn sie auf den Gedanken gerathen, Bücher seien der
einzige Weg, auf dem man Kenntnisse erwirbt, und dass daher jeder
bessere Kopf keinen anderen Wunsch hat, als Bücher zu haben und
studiren zu können. Die Erwerbung von Kenntnissen durch eigene An-
schauung, durch eigene Versuche, durch eigenes Arbeiten ist etwas,
wozu die Erziehung den Kindern entweder noch gar keine Anleitung
oder doch nur in Nebenstunden gibt, weil man glaubt und handelt, als
sei das Lernen die Hauptsache bei der Erziehungm
l-leusinger sucht in seinen Schriften den Beweis zu erbringen, dass
der Mensch zum Handeln und nicht zum Speculiren geboren sei, dass
der, Trieb zum Handeln der stärkste und unaufhaltsamste von allen
Trieben der menschlichen Natur sei. Die Geschichte lehre, dass die
Menschen früher Gebilde aus festen Stoffen geformt haben, ehe sie durch
Speculation zum Auffangen der Umrisslinien der Gestalten zu einer
Zeichnung schritten.
Noch einen eminent pädagogischen Grund führt er für die Ein-
beziehung der Arbeit in den Kreis der Erziehungsmittel an; er sagt:
nDie Erfahrung lehrt, dass von Natur weiche und wankelmüthige Kinder,
die man erst später zur Arbeit gewöhnt, sehr bald missmuthig und
abgeschreckt, von einer unüberwindlichen Arbeitsscheu befallen werden."
Blasche leitete den Arbeitsunterricht im Geiste Heusingefs in der
Schule zu Schnepfenthal. Er beschäftigte die Kinder mit der Pflege und
Wartung kleiner Hausthiere, der Pflanzen im Garten; er ließ sie meteo-