2991
Ziel und Durchführung derselben spricht sich das von der Deputation der Wiener
Kümtlergenossenschaft vorgelegte Memorandum folgendermaßen aus:
aUnsere wiedererstandene Kunst hat bereits viel zur Verschönerung des Lebens
gethan, auf die Ehre, auf den pietätsvollen Cult aber, den sie den Todten und den
Gräbern schuldet, so gut wie vergessen. Unser künstlerischer Graberschmuck liegt im
Argen, trotzdem gerade das Grabdenkmal zu allen Zeiten und bei allen Völkern der
früheste und allgemeinste Ausdruck des Monumentalsinnes war. Man wandere hinaus auf
den schon so reich bevölkerten Centralfriedhof und zahle die Male, an denen das künst-
lerische Auge und das fromme Gedenken gleichmäßig ein Genüge findet. Eine beschämend
kleine Zahl wird das Resultat dieser Musterung sein und selbst diese wenigen Ausnahmen
verrathen nur in den seltensten Fällen eine künstlerische Meisterhand. Mit unserer
Graberplastik sind wir im Allgemeinen noch genau dort, wo wir mit unserer Einrich-
tung, unserem l-Iausrathe waren, ehe noch die Kunst daran rührte; und sollen wir in der
That gegen unser besseres künstlerisches Gewissen, gegen unsere wärmere Empfindung
auch fortan diese Ehrenpliicht jenen Händen anvertrauen, die ihr bisher so wenig genügten?
. Der Gräberschrnuck ist eine eminent künstlerische Angelegenheit, und er war dies,
so lange es eine Kunst gab, und er muss dies wieder werden, wenn unsere Kunst-
bewegung wirklich so tief geht, als wir uns schmeicheln. Und wenn unsere Plasiiker,
unsere Architekten das Grabmal zurückgewinnen, wie es ihnen gebührt, so wird genau
das eintreEen, was erfolgte, als die Handwerker, die uns moblirten und ausstatteten,
sich gemach künstlerischen Intentionen und Mustern fügen mussten; sie lernten stylvoll
arbeiten und höheren Anforderungen genügen.
Man wandert durch Italien und findet es selbstverständlich, dass in Genua, in
Bologna, in Rom oder Neapel die Friedhüfe reich an würdigen Kunstdenkmälern sind.
dass sie zu den ernstesten und erbaulichsten Sehenswürdigkeiten zahlen. ln diese Reihe
kann man unsern Centralfriedhof unmöglich stellen. Warum nichtl Ist unser Empfinden
etwa ärmer, unsere Verehrung für die Todten geringer, unser Geschmack dürftiger,
unsere Kunst pietatsloser?
Nichts von alledem. Wir haben nur bisher versäumt, vor die rechte Schmiede zu
gehen und uns an einen Schlendrian gewöhnt, der in einem wahren Kunstzeitalter nicht
langer verwalten kann, wollen wir nicht hinter Innsbruck oder Salzburg, hinter Nürnberg
oder München, ja hinter uns selbst von dazumal zurückstehen, da wir die vielen und
figurenreichen Grabsteine außen an der Stefanskirche anfügten, oder drinnen Kaiser
Friedrich lII. und den Prinzen Engen monumental bahrten, oder unsern ersten Befreier
von den Türken mit seinen Siegen verewigten und selbst noch unsere Leuchten in den
Aufklärungstegen, unsere Großen in der Zopfzeit anständig beizusetzen verstanden.
Schon wendet es sich zum Besseren, und vielleicht bedarf es nur der rechten popu-
lären Aufklärung, um bei unserem empfünglichen Publicurn die Sache zum Durchbrüche
zu bringen. Die Großcommune hat auf ihrem Friedhofe Arkaden errichtet, die sie wohl
nicht Stümperhanden überantworten kann; sie hat für ein Denkmal auf das Massengrab
der Opfer des Ringtheaterhrandes einen _Concurs ausgeschrieben und sie plant eine Ueber-
tragung der Denkmale berühmter Männer von aufgelassenen Begrabnissplatzen. Das sind
hoffnungsvolle Anzeichen und Ansätze, und das schon gegebene Beispiel kann gar wohl
bewirken, dass allmalig sich auch die Privatgrüfte, die Ruhestatten religiöser Genossen-
schaften etc. mit würdigen und beredten Symbolen schmücken.
Eine kräftigere, einheitliche, gleichsam concentrische Einwirkung auf das Publicum
in dem Sinne, um bei ihm das Grab zu den verdienten künstlerischen Ehren zu bringen,
dürfte aber gleichwohl nicht überflüssig sein. Es dürfte sich daher im Interesse der Kunst
und des Gräbercultus empfehlen, eine eigene Ausstellung von künstlerischem Gräber-
schmuck zu veranstalten, etwa um die stimmungsvolle Zeit des Allerseelentages.
Diese Ausstellung konnte bereits ausgeführte Grabdenkmale aus der Gegenwart
und eigene, auf mannigfache, den verschiedenen moglichen Fallen angepasste Verwendung
abzielende Modelle, sowie auch ältere schöne Muster, sei's in Plastik, in Gemälde oder
Zeichnung, darbieten. Ein belehrendcr, mäßig illustrirter Katalog hatte die Aufgabe, in
bündiger, populärer Weise auf den Werth und die Würde künstlerischer Todtenmale,
auf die wesentlichsten Momente der Geschichte der Graberplastik etc. aufmerksam
zu machen.
Es ließe sich eine freudige Beschickung dieser Ausstellung seitens der Künstler,
deren Thätigkeitsgehiet sich ja bei gutem Erfolg wesentlich erweitern würde, erwarten;
auch öffentliche und Privatsammlungen, Reisemappen und dergleichen konnten zur Ver-
vollständigung eines solchen speziellen Anschauungsunterrichtes beitragen.-
(Weltansstellnng in Antwerpen 1885.) Im Jahre 1885 findet
in Antwerpen unter dem Protectorate Sr. Majestät des Königs der Belgier
eine Weltausstellung statt, welche alle industriellen Erzeugnisse, sämmt-
liche Waaren, welche zu Handelsverkehr Veranlassung geben könnten,