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Mit der SchaEung allgemeiner Handwerkerschulen soll ein letzter,
entscheidender Schritt geschehen in der Fortentwicklung der vorhandenen
gewerblichen Unterrichtsinstitutionen zu einem wirklichen, voll ausgebil-
deten Organismus des industriellen Erziehungswesens. Bisher besitzen wir
für die Jugend, nachdem sie ihrer Volksschulpflicht genügt hat, nur zwei
Hauptarten gewerblicher Bildungsinstitute: Fortbildungsschulen und
Fachschulen. Wir haben also für unsere gewerbebellissene Jugend
vom 15. Jahre aufwärts Anstalten für die Fortbildung und für die Aus-
bildung im Gewerbe. Für die Jugend dagegen, welche der Volksschul-
pilicht noch nicht genügt hat, also für die Jugend vor vollendetem
14. Jahre, ist weder die eine noch die andere dieser Hauptarten gewerb-
licher Schulen bestimmt. Diesem Mangel sollen die Handwerkerschulen
abhelfen, und die industriellen Unterrichtsanstalten hätten sich also dar-
nach künftig nicht mehr in zweierlei, sondern in dreierlei Aufgaben zu
theilen: Vorbildung, Fortbildung und Ausbildung; der Vor-
bildung würde die allgemeine Handwerkerschule, der Fortbildung
dieFortbildungschule, derAusbildung die Fachschule gewidmet sein.
Die Fachschulen sollen für einen bestimmten Wirkungskreis in einem
bestimmten industriellen Fache ausbilden; und darum finden sie gesunde
Lebensbedingungen nur dort, wo ein ausgeprägtes Bedürfniss nach der
Förderung gerade dieses industriellen Faches besteht, d. h. wo Ange-
hörige der einschlägigen Industrie in entsprechender Menge vorhanden
sind, also entweder in einem Centrum gewerblichen Lebens oder in einem
Orte mit stark entwickelter Specialindustrie. Wo weder die eine noch die
andere Voraussetzung gegeben ist, wie bei der Mehrzahl mittlerer und
kleinerer Städte, wo es zwar allerlei Handwerker, aber in jeder Gruppe
nur wenige Firmen gibt, da fehlt der Fachschule der geeignete Boden.
An solchen Orten muss die Schule auf die Ausbildung in einem bestimmten
Gewerbe verzichten, sie muss sich damit begnügen, eine bloße Vorbildung
zu geben, diese aber für eine ganze Anzahl von Gewerben. Aus dem
Umstande, dass diese Schule nur vorzubilden vermag, folgt sodann noch
eine andere Existenzbedingung derselben: ihr Schüler muss mit dem
vollendeten 12. Jahre, das ist in der Regel nach Absolvirung des sechsten
Jahrescurses der Volksschule, eintreten können.
Wir haben sonach schon drei in die Augen springende Merkmale
gewonnen, welche die neue Schule von der Fachschule unterscheiden,
und zwar: r. Betreff der Zusammensetzung des Schülermateriales: vnicht
künftige Angehörige Einer Branche, sondern mehrerer verschiedener-l;
2. bezüglich des Lebensalters der Schüler: "nicht junge Leute vom
15. Lebensjahre aufwärts, sondern Knaben zwischen dem 13. und
15. Jahren, und 3. hinsichtlich der Aufgabe der Schule: xnicht Ausbil-
dung, sondern Vorbildungm
Auf solche Art ist die Handwerkerschule geeignet, die allgemeinste
gleichmäßigste Verbreitung von sämmtlichen gewerblichen Tagesschulen