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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XX (1885 / 242)

ist realistisch-Heischlich bemalt, gewöhnlich glasirt und, wo das unmöglich 
dünkte, auch mit stumpfen Farben. 
Diese Majolicaplastik ist aber nach Art und Geist in der italie- 
nischen Kunst durchaus keine isolirte Erscheinung. Sie findet ihr Seiten- 
stück in Marmor, in Holz, auch in Bronze. Ja die heute nun wohl- 
bekannte Marmorsculptur ist ihr voraufgegangeu. Sie hat den Anfang 
gemacht und hat nun in dem anderen plastischen Materiale Nachfolge 
gefunden. Alle die weißen Genretiguren, staunenswürdige Leistungen in 
der Behandlung des Marmors, stehen wieder in Antwerpen in reicher 
Fülle. Da sind die schreienden und weinenden Kinder, der Zeitungen ver- 
kaufende Straßenjunge, Buben, die sich um das Essen raufen, der Hirten- 
knabe mit seiner Ziege, der Savoyarde mit seinem Murmelthiere, lesende, 
strickende, stickende, Cigarren rauchende Frauen und Mädchen, ein 
Mädchen unter dem Sonnenschirme, der Schirm natürlich auch in Marmor 
ausgeführt, ein nacktes Mädchen, nur mit Schuhen bekleidet, die Dame 
mit dem Schleier über Kopf und Gesicht, und was dergleichen Aufgaben 
mehr sind, welche die Bravour der Technik herausfordern. 
Immerhin setzt der keusche Carraramarmor einer lasciven Kunst 
gewisse Schranken, da der Italiener zur Bemalung dieses schönen Ma- 
teriales noch nicht vorgeschritten ist. Diesen Schritt hat er nun in der 
Holzsculptur gethan. Hier ist Alles farbig geworden und nicht blos 
farbig, sondern die lose Laune hat hier vollkommen freies Feld gefunden. 
Wir kannten längst die Bravourtechnik der italienischen Holzschnitzerei 
und haben ihren Ornamenten, Rahmen, Consclen, Möbeln im reinsten 
Style der Frührenaissance gerechte Würdigung zu Theil werden lassen. 
Nun hat sich diese Bravour auf ein anderes Genre geworfen, auf das 
Genre polychromirter Figuren. Wir haben auf den Ausstellungen des 
Oesterr. Museums etwas Aehnliches gesehen. Professor Klotz, Lehrer 
der Holzschnitzerei an der Kunstgewerbeschule, färbt ebenfalls seine 
in Holz geschnitzten Büsten, Köpfe oder Statuetten, aber in so beschei- 
dener Weise, dass wir es nur mit Werken einer edlen Kunst zu thun 
haben. Bei den Italienern spielt die Farbe schon eine andere, kräf- 
tigere Rolle und nähert sich dem Realismus. Auch das wäre kein Un- 
glück! Aber was sind die Figuren, die also dargestellt werden? 
Bediente in Livree, die eine Schüssel präsentiren, Herren im Frack mit 
dem Hute in der Hand, die Caricatur eines Engländers mit blonden 
Cotelettes, Damen im Costlime, Satan und Satanella, Alles naturgroße 
Figuren, farbig in Schwarz, Roth, Gelb u. s. w., charakteristisch erfunden, 
wunderbar gearbeitet, aber doch sozusagen gute oder schlechte Witze, 
plastisch in Lebensgröße ausgeführt. Und das wird bewundert, angestaunt 
und gekauft von den vornehmsten Namen. 
Ganz so schlimm steht es mit den italienischen Bronzen noch nicht. 
Das starre Erz leistet der Frivolität einigen Widerstand. Aber auch hier 
erscheint der Realismus oftmals in einer zum Lachen drastischen Weise,
	        
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