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stellung von Frauenarbeiten den auf eine Besserung der Verhältnisse
ernstlich bedachten Persönlichkeiten die Gelegenheit verschaffte, deutlich
zu sehen, woran die damalige Modestickerei krankte, und welche Wege
einzuschlagen waren, um eine Wendung zum Besseren herbeizuführen.
Das Jahr 1873 bedeutet somit den Ausgangspunkt für die Reform der
Stickkunst, und die gegenwärtige Direction des Oesterr. Museums hat
bei der Feststellung des Programmes für die diesjährige Ausstellung weib-
licher Handarbeiten sich in erster Linie zum Zwecke gemacht, "zu zeigen,
wie sich seit der letzten ähnlichen Ausstellung im Jahre 1873
der Geschmack auf diesem Gebiete der Kunstarbeit geän-
dert hatu.
Ueber die Ergebnisse der österreichischen Specialausstellung der
Frauenarbeiten auf der Wiener Weltausstellung wurde von Frau Aglaia
v. Enderes an den damalgen Unterrichtsminister von Stremayr ein sach-
gemäßer Bericht erstattet, der im Jahre 1874 im Verlage des Oeterr.
Museums in Druck erschienen ist. Die Lecture dieses Berichtes gibt
gegenüber der gegenwärtigen Ausstellung Anlass zu interessanten Be-
trachtungen, die aber besser bei der Besprechung der einzelnen Gruppen
ihren Platz finden werden. Dagegen mögen einige Differenzen nach Inhalt
und Anordnung zwischen den beiden gegen 13 Jahre auseinanderliegenden
Ausstellungen gleich hier Erwähnung finden. Vor Allem hatte man im
Jahre 1873 die Grenzen viel weiter gesteckt; jede Nutzarbeit konnte
Aufnahme finden, sobald sie nur einen gewissen Grad von Güte und
Solidität aufzuweisen vermochte. Dagegen bestimmte das Programm von
1886, dass nur Arbeiten von künstlerischer Art Anspruch auf Auf-
nahme erheben könnten. Hätte man eine solche Einschränkung im
Jahre 1873 verfügt, so wäre die damalige Ausstellung auch dem Umfange
nach wohl sehr kläglich ausgefallen. Die Schulen nahmen damals den
weitaus größten Raum ein; der Bericht widmet ihnen 30 Seiten, wovon
die größere Hälfte auf die Volksschulen entfällt; aber auch die übrigen
Schulen erhoben sich größtentheils nicht über das Niveau der Volks?
schulen, und eine eigentliche Specialschule für Stickerei ist gar nicht
darunter zu finden. Die exponirten Arbeiten waren zum weitaus größten
Theile Nutzarbeiten; wo Luxusarbeiten erwähnt sind, da werden sie in
der Regel auch schlecht befunden. Die Arbeiten der Dilettantinnen konnten
auf drei Seiten abgethan werden, während sechs Seiten auf die nationale
Hausindustrie entfielen. Dagegen waren von jener Specialausstellung und
daher auch vom Berichte ausgeschlossen die Leistungen der gewerbs-
mäßigen lndustrie, zunächst aus formellen Gründen, weil dasjenige, was
hievon zur Ausstellung gebracht worden war, im lndustriepalaste Auf-
stellung gefunden hatte; doch mag auch ihre damalige Bedeutungslosig-
keit Antheil an der Ausscheidung gehabt haben. Dagegen hat die gegen-
wärtige Direction des Museums, geleitet von der richtigen Erwägung,
dass auch die Erzeugnisse der berufsmäßigen Stickerei- und Spitzen-