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Reihe von Jahren auf einem Gebiete, auf welchem der Verfasser Autorität ist, sind hier
niedergelegt. Die Malerei in Wasserfarben einschließlich der Theater-Decorationsmalerei,
das Fresco, die Tempera, die Oelmalerei, Enkaustik, Glasmalerei, Porzellanmalerei,
endlich Email- und Majolikamalerei werden in den einzelnen Abschnitten in lichtvoller
Weise besprochen, so dass der Ununterrichtete einen guten Einblick gewinnt, derjenige,
dem die Verfahrungsweisen bekannt sind, durch eine Fülle von Beobachtungen über-
rascht wird. Besonders auf das Cnpitel über die Temperatechnik mochten wir aufmerk-
sam machen; nirgends noch ist das überaus schwer zu ergründende Wesen dieser Mal-
weise so einsichtig behandelt worden. Die Hinweise, wie sich die Oeltechnik damit ver-
binden lasst und darauf, welche Beziehungen zwischen diesen beiden herrschen, sind
für die Geschichte der Malerei im 15. Jahrhunderte von fundamentaler Bedeutung.
F. W.
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Les anciens almanachs illustres. Histoire du calendrier depuis les temps
anciens jusqu'ä nos iours. Par Victor Champier. Paris, L. Frizine
et Comp., 1886. Fol.
Bei Betrachtung der meisten unserer heutigen Kalender scheint ein ausführlicher
Katalog dieser Druckerzeugnisse eine recht unerquickliche Arbeit. Anders ist dies bezüglich
der Vergangenheit, denn auch bei nur flüchtiger Durchsicht der 50 phutotypischen
Tafeln des obengenannten Werkes wachst das Interesse von Blatt zu Blatt. Wenn man
den Umstand in's Auge fasst, dass ein Kalender nach Jahresfrist seinen praktischen Werth
verliert, so ist es begreiflich, dass eine complete Reihenfolge auch der von Künstlerhand
illustrirten seit Erfindung der Buchdruckerkunst vielleicht überhaupt nicht mehr auf-
zutreiben ist. Nur dem Umstande, dass bereits im XVll. und XVlll. Jahrhunderte einige
Liebhaber der graphischen Künste daran dachten, die illustrirten Kalender zu sammeln,
dankt die Pariser Nationalbibliothek eine solche Zusammenstellung von etwa 500, und
Baron Edm. Rothschild eine solche von 7oo Nummern. Und sie sind des Sammelns
werth als ein hochst schatzbarer Beitrag zur Cultur- und Kunstgeschichte.
Zur allgemeinen Orientirung schickt Champier dem Catalogue raisonne die Ge-
schichte des Kalenders im Alterthume voraus, die Erläuterung der Jahresdauer und
Zahlung nach Sonne oder Mond bei den Egyptern, Griechen, Römern, Arabern und
Juden bis zur gregorianischen Kalenderreform. Im zweiten Abschnitte seines Werkes
bespricht er ausführlich die Verbindung des Kalenders mit den Livres d'heures in einer
Zeit und in einer Form, die den Kalender so recht zum Familienstücke machte, in
seinen Gebettheilen als Erbauungsbuch, aber gleichzeitig als Hauschronik verwendete
von Geschlecht zu Geschlecht. Die Aufzählung der berühmtesten, mit Bildern reich
gezierten Livres d'heures des Mittelalters gibt Champier Gelegenheit, Streiflichter über
die Entwicklung der Miniaturmalerei gleiten zu lassen. Die Erfindung der Buchdrucker-
kunst bringt auf diesem Gebiete eine wesentliche Veränderung mit sich. Allmalig kommt
die Verbindung des Kalenders mit dem Gebetbuche außer Uebung, dagegen tauchen
die astronomischen, meteorologischen und astrologischen Kalender, die eigentlichen
Almanache auf, mit Wetterbeobachtungen und Prophezeiungen, Erbaulichen-i und Beschau-
lichem, Verständigem und Verrücktem, wie die anatomische Eintheilung des mensch-
lichen Körpers nach den Zeichen des Thierkreises u. s. w. Es braucht blos Nostradamus,
Mathieu Laensberg, der hinkende Bote genannt zu werden, um die ungeheure Verbreitung
dieser Bücher anzudeuten. Dieser Gruppe von Kalendern gilt der dritte Abschnitt von
Champiers Werke.
lm vierten Abschnitte werden sodann die literarischen, prophetischen, satirischen
und politischen Almanache vom XV. bis XIX. Jahrhunderte geschildert und fast selbst-
verständlich weist diese Gruppe die meisten Variationen auf. Nostradamus hatte den
Damm durchbrochen und es ergießt sich bis in's XVll. Jahrhundert eine wahre Fluth
von Prognosticationen, Ephemeriden und Horoskopen über die mindere und die höchste
Gesellschaft, sowie auch die satirischen Almanache in die Halme schießen, zuletzt oft
zu üppig und frivol, so dass bereits t56o Ordonanzen gegen dieselben erlassen wurden,
bis ihnen Ludwig XIV. 1682 fast den Lebensfaden unterband. Uebrigens hatte sich das
Publicum selbst daran übersattigt und verlangte nach neuen Formen. Das AeuBere wird
oft maßgebender als der Inhalt, und alle Großen werden beliebt. So erscheinen Kalender
als stattlicher Quartband in Kalbleder gebunden, mit Spitzen und Edelsteinen besetzt, oder
winzig klein als Breloque an der Uhr getragen oder, um ein anderes Extrem zu nennen,
ein Confiseur schuf Kalender mit seiner Geschäftsadresse mitten in Chocoladetafelchen
eingebacken. x76; erschienen in Paris allein 65 Almanache, vielfach solche, die ein Buch
für Alle sein wollten, aber auch andere mit präcisirterem Inhalte: Pamphleten, Prophe-
zeiungen, scblüpfrigen Geschichtchen, Liedern, Stadtebeschreibungen, Geschaftsadressen,
Aufsatzen aber Literatur, Kunst und Geographie; aus dem Ende des XVlI. Jahrhunderts