Über die Gefahren des Modewechsels in anderer Beziehung hören wir
auch früher schon Klagen, so in einer „Gehorsamsten Erinnerung" der
Linzer Direktion vom 30. Mai 1777, die sonst über „Einschwärzungerf
klagtf" Es heißt da:
„England sowohl, als Sachsen haben seit etlich hundert Jahren dem
Ziel der VollkorTienheit ihrer Manufacturen sich genahet, dieses veranlasset
sie beständig in Gattungen der Waaren eine Veränderung vorzunehmen, der
Ausweg in ganz Europa erleichtert solchen, wohingegen die inländischen
Manufacturisten, die nur noch dermalen den Inländischen Consumo für sich
haben, durch beständige abänderung in das Verderben gestürzet werden,
weilen, wenn kaum ein Gattung von Waaren den ausländischen gleich-
körTit, schon wiederum ein ganz neuer Artikel erscheinet."
Am wenigsten scheint hiedurch der ungarische und siebenbiirgische
Markt beeinflußt worden zu sein; denn wir finden da eine bemerkenswerte
Äußerung der Linzer Direktion noch aus dem jahre 1804: „in Hungarn und
Siebenbürgen, wohin der größte Theil des Absatzes der gemeinsten Erzeug-
nisse den Zug zu nehmen piiegt, haben Luxus und die Moden bei dem
gemeinen Volke so sehr noch nicht eingerissen, dass dasselbe von seiner
gewohnten Tracht so leicht abgehen solteü"
Es war aber gewiß nicht zum wenigsten der geringere wirtschaftliche
Erfolg, der im Jahre r7go wieder die Frage aufleben ließ, „ob Fabriken, und
besonders die Wollenzeugfabrik zu Linz, zur Staatsverwaltung geeignet
Seynu. Ikßkßk
Obgleich nun die Hofkanzlei sonst nicht für staatliche Fabriken ist,
glaubt sie bei der so lange bestehenden Linzer Fabrik, die so viele Kräfte
beschäftige und so viel „für die Verfeinerung der Manufakts" getan habe,
croise'e, qui est une espece de grosse serge ä deux envers, ä ä poil des deux cbtes. Les Creseaux se tirent
presque tous d'Angleterre, ä d'Eccsse, nii ils sont aussi appelles Kersey. Cette etoffe se fahrique particulierement
dans la Province de Kent . . . .
La Hollande en consomme beaucoup, sur-tout de celle qui est bleue, pour Phabillement de leurs troupes
ou Milices. Les Hollandois la nomrnent Karsay, de Kersey en Anglois."
Wir erfahren dann noch, daß auch in Frankreich und Holland, besonders in Leyden, solche Stoffe ver-
fertigt werden.
Heiden sagt in seinem „Handwörterbuch der Textilkunde" (Stuttgart, 1904) somit im allgemeinen
richtig, daß der Kersey oder Kirsey ein tuchartiger Stoff von grober Wolle zu Mänteln ist, und läßt den Namen
von dem Orte Kersey in der Grafschaft Kent abstammen. Nach Ritters „Geographischem Lexikon" liegt der
Ort allerdings in der Grafschaft SuiTolk, doch macht dies hier wenig aus.
jedenfalls besteht in der Hauptsache über den Namen und Sinn von „Kersey" kein Zweifel; uns handelt
es sich hier aber nur darum, das Wort „Casimir" mit „Kerseymerw und weiter mit „Kersey" in Verbindung zu
bringen, ein Zusammenhang, der, wie gezeigt, schon zu Beginn des XIX. Jahrhunderts auch sehr kundigen
Fachmännern nicht mehr bewußt war, so daß sie auf ganz falsche Fährte gerieten.
Wenn Heiden an anderer Stelle seines Textilwürterbuches noch sagt, daß „Kersymire im englischen
Handel gedruckte Wollenstolfe" bedeute, so stimmt dies mit der früher gegebenen Erklärung, da wir ja schon
bei der ersten hier angeführten Erwähnung gesehen haben, daß gerade die „Casimirw bedruckt wurden.
Aber mit „Kaschmir" hat „Casimir" nichts zu tun.
Nebenbei bemerken wir, daß der Kasimir auch für Möhelbezüge gebraucht wurde, siehe „journal des
Luxus und der Moden", 1805, Seite 641.
" Nr. 45 vom Juni 1775. ,
M Nr. 372 vom Juni 1804.
v" „Allerunterthänigster Vortrag der . . . . . Hofkanzlei" vom rx. Oktober 1790 (zu Nr. 224 vom
Februar r 79 r).