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und Aebte. Eigentliche Künstlermonche gehören zu den Ausnahmen. Der Inhalt der
dritten Abhandlung über udie byzantinische Kunst und ihren Einfluss im Abendlandes
wird erst hier dem deutschen Leserkreise nahe gebracht. Springer's analoger Aufsatz
im nljArtc von 1883, sowie die Wiederholung desselben in dem erst vor Kurzem
erschienenen Werke Kondakofs: nl-listoire de l'art byzantinu liegen dem größeren
Publicum zu fern, um diejenige Verbreitung finden zu können, welche sie verdienen.
Von großem Werthe sind darin u. A, einige Ausblicke, die Springer auf die Errungen-
schaften der neueren Kunstgeschichte, namentlich der Stilkritik gewahrt, und auf die
Methode, nach der sie zu Stande gekommen sind. nVielfach uns unbewusst, sind wir bei
den Naturwissenschaften in die Schule gegangen und haben ihnen, soweit es die ver-
schiedene Natur der Gegenstände gestattet, die analytische Methode abgelauscht. Erst
der Besitz dieser Methode scharfte unseren Beobachtungssinm-
Der vierte Essay ndie deutsche Kunst im zehnten Jahrhunderte war bisher in der
westdeutschen Zeitschrift unverdientermaßen wverheimlichtn. So vortrefflich das erwähnte
Blatt auch beschickt und redigirt ist, so hat es doch noch nicht die nothige Verbreitung,
um die vielen werthvollen Beitrage, die dort gedruckt werden, in eigentlicbem Sinne an
die OeEentlichkeit zu bringen. Dass Springer's Aufsatz nochmals publicirt wird, kann
nur gebilligt werden. Ueberhaupt finden wir in den beiden Springefschen Banden kaum
etwas, dessen VeroGentlichung oder Weiterverbreitung nicht gerechtfertigt wäre. Als
Ganzes aufgefasst, bietet die zweite Auflage der nßilder- dadurch, dass sie fast alle
wichtigen Fragen des Faches berührt, gegenwartig gewiss die vortrefflichste Einführung
in das Studium der neueren Kunstgeschichte. Fr.
1b
Ueber den decorativen Stil in der altchristlichen Kunst. Von Friedrich
Portheim. Stuttgart, W. Spemann, 1886. 8". 43 S.
In den letzten Jahren hat sich die Specialforschung mehrfach mit dem ebenso
reizenden als schwierigen Probleme des Ursprunges und der Entwickelung der früh-
mittelalterlichen Kunst beschäftigt, dem sie dadurch naher zu kommen trachtete, dass
sie die Lösung zunachst innerhalb beschränkter localer Grenzen versuchte. Indem man
aber das Hauptgewicht der Frage stets auf die constructive Seite verlegte, konnte ein
allseitig befriedigendes Resultat wegen Mangel einer genügenden Zahl von Zwischen-
gliedern bisher nicht erzielt werden. Da ist es nun ein überaus glücklicher Gedanke ge-
wesen, die Aufgabe einmal von der decorativen Seite zu fassen, wodurch es dem Ver-
fasser des vorliegenden Werkchens gelungen ist, eine ununterbrochene Entwickelungs-
reihe von der spatromischen Antike bis zu den Anfangen der romanischen Kunst in
großen Zügen festzustellen. Diesen auf einseitiger Grundlage aufgebauten Resultaten
musste aber unbedingt nur einseitige Geltung zuerkannt werden, wenn der Verfasser
nicht auch für den Nachweis gesorgt hatte, dass die Gesammtentwicltelung der altchrist-
lichen Kunst nothwendig auf das Decorative gerichtet war: während bei zunehmendem
Verfalle des Reiches die monumentalen Aufgaben immer mehr in Wegfall kamen, wurden
dem decorativen Elemente namentlich aus dem Oriente immer neue Mittel zugeführt,
so dass eine reiche und selbständige Entfaltung desselben die Folge tvar. Der Eintritt
des Christenthums in die Kunstbewegung konnte der angedeuteten Entwickelung nur
förderlich sein: mit ihren unfertigen Typen konnte die christliche Kunst es mit dem
geschlossenen Mythenltreise der Antike nicht aufnehmen; um so eifriger vollzog sie den
Anschluss an die überlegene Vorlauferin auf dem neutralen Boden der Ornamentik. In
der nachdracklichen Betonung des engen Anschlusses der altchristlichen Kunst an die
Antike berührt sich Verfasser mit den Ideen, die andere Forscher in jüngster Zeit ver-
treten haben; auch die Verlegung des Ausgangspunktes für die mittelalterliche Kunst
nach Ravenna und Südfrankreich entspricht der Tendenz der neuesten Kunstforschung.
Völlig neu ist aber die Auffassung von der Uebertragung dieses altchristlichen Orna-
mentalstiles nach dem Norden durch die Buchmalerei: ebenso wie die einzelnen Na-
tionalschriften nichts anderes sind, als verschiedene kalligraphische Ausbildungen einer
und derselben spätromischen Cursive, die wir aus ravennatischen Urkunden kennen,
ebenso seien auch die textbegleitenden M iaturen lediglich Abkömmlinge der altchrist-
lichen Kunstweise in localer Umbildung - selbst die irischen nicht ausgeschlossen, wo-
durch die Existenz einer urgermanischen Ornamentik schlankweg geleugnet erscheint.-
Auf denselben ornamentalen Elementen, die wir vom 5. bis zum 8. Jahrh. überall von
Ravenna bis Südfrankreich in gleicher Weise vertreten sehen, baut sich mit stärkerer
Betonung der Antike die karolingische Renaissance auf; sie werden aber auch zur Grund-
lage für den romanischen Stil, nachdem die antikisirende Tendenz der karolingischen
Hofkunst durch eine national volksthumliche ersetzt worden ist.
Eine so weitgespannte Aufgabe erfordert ein reicheres Beweismaterial, als sich
mit dem Bestreben, leichtverständlich und übersichtlich zu bleiben - zumal ohne be-