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Der Sammelband besteht aus 151, bis Fol. 130 nur einseitig
beschriebenen und illurninirten Blättern in der Größe von o'165)(o'12o
Meter mit dazwischen gebundenen leeren Schutzpapieren. Von den
beschriebenen und bemalten Blättern sind drei Papier, die übrigen 148
Pergament und von 1-151 neu foliirt. Zwischen der durch Jahreszahlen
hxirten kalligraphischen Ausführung der Blätter 1-129 und derjenigen
der Blätter von 130-151 liegt ein großer Zeitraum, auch das zu den
letzteren Blättern verwendete Pergament ist stärker und weniger sorg-
fältig bereitet als das der ersteren. Die Blätter 130-151 enthalten die
Constructionen des römischen Kapital- und des gothischen Minuskel-Alpha-
betes und wurden wahrscheinlich auch in dem kalligraphischen Theile
durch den llluminator des Buches ausgeführt.
Die Schrifrmuster der Blätter 1-129 sind vorwiegend in Schwarz,
Gold und Silber dargestellt, vereinzelt kommt auch noch Blau zur
Anwendung oder sind die Schriftzüge auf schwarzem Grunde weiß aus-
gespart. Sonst ist der Untergrund in der Regel weiß gelassen oder
auch aus sehr zarten Goldarabesken in der Weise des Balth. Sylvius
gebildet. Oefters sind die einzelnen Schriftzeilen durch Schweifarabesken
in Gold oder Schwarz getrennt, die Initialen aber fast immer auf irgend
eine Art, entweder durch reiche Verzierung oder durch Anwendung von
Gold und Silber, vor den Texten besonders ausgezeichnet. Die Texte
selbst stellen in prächtigen, meisterhaft ausgeführten Beispielen die lange
Reihe der im 16. Jahrhundert in Italien, Spanien, Frankreich und Deutsch-
land gebräuchlichen Schriftarten vor Augen. Sie zeigen uns den Schreiber
in allen diesen Schriftgattungen gleichmäßig bewandert, vertraut rnit der
damals schon umfangreichen Literatur der Kalligraphie, und was seine
Kunstfertigkeit betrifft, auf das Würdigste mit in erster Reihe stehend
unter den bedeutendsten Scbreibkünstlern der Renaissance.
Die Bücher dieser Schreibkünstler sind es auch zunächst, auf welchen
unseres Kalligraphen außerordentliche Fertigkeit in den verschiedenen
Schriftformen beruht; die Blätter seines Werkes sind nach den Regeln
italienischer und deutscher Schreibbücher aus dem 16. Jahrhundert aus-
geführt, nicht wenige directe Copien nach solchen auch in Bezug auf den
Wortlaut des Textes. Vorzugsweise aber gilt dies hinsichtlich des ersten
gedruckten italienischen Schreibbuches, der nTheoria et practica de modo
scribendic des gelehrten Mathematikers, Architekten, Astrologen und
Dichters aus Ferrara Sigismundo de Fanti (1514), dann des "Thesaum
de scrittoric (1530), der Schreibbücher des Giov. Ant. Tagliente (1534),
des Giov. Palatino (1540), des Minoriten Fra Vespasiano aus Ferrara (1554)
und schließlich derjenigen der Nürnberger Schreibmeister Johann Neu-
dörfer und Wolfg. Fugger.
Zumeist auf Grundlage dieser Bücher hat nun unser Künstler in
seinem Werke ein getreues Bild der vielgestaltigen Schriftkunst seiner Zeit
aufgestellt. Vorherrschend sind in demselben die römischen oder latei-