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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1887 / 9)

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aus dem Hintergründe von Armuth und Verborgenheit heraus und drängten 
sich von selbst in den Brennpunkt des socialen Tagesinteresses. Und die 
Kunst, stets wie ein Spiegel das Bild der jeweiligen Gesellschaft mit all' 
ihrer Begeisterung für Hohes und Ideales, oder ihrer Versunkenheit in 
Frivolität und Geistlosigkeit wiedergebend, sie lohnte den Malern und 
Kupferstechern ihren Griff in's Menschenleben mit einem wahren Schatze 
von Bildern, welche von Ursprünglichkeit, Wahrheit und Humor über- 
strömen. Wir Nachgeborenen belehren und ergötzen uns an den zahl- 
losen Stichen und Holzschnitten der Beham und ihrer Zeitgenossen, 
welche uns die kraftstrotzenden Landsknechte einzeln oder in blutigem 
Kampfe begriffen vorführen. Und noch größer ist der kunst- und cultur- 
geschichtliche Werth jener Genrebilder aus dem Bauernleben, aus denen 
wir die derbe, etwas täppische und doch auch so vollberechtigte Genuss- 
freudigkeit dieses Standes besser entnehmen, als aus allen Chroniken 
und historischen Büchern zusammengenommen. Ein Dürer und Hol- 
bein sind auch hierin mit einzelnen Stichen und Bildern als die ton- 
angebenden Führer vorangegangen, und ihre Nachfolger sind in dieser 
Richtung nicht geringer zu achten, als die niederländischen Genremaler, 
ein Bauernbreughel, Brouwer, Teniers und Ostade, deren Ruhm als Cultur- 
schilderer allgemein anerkannt ist. Wie Gleichwerthiges z. B. ein Hans 
Sebald Beham bereits im frühen 16. Jahrhundert zu leisten vermochte, 
ist aus seinem großen Holzschnitte der Dorfkirtness zu entnehmen. Außer 
diesem möchte ich aber die Aufmerksamkeit auf jene Suite von Planeten- 
bildern mit reichster Stalfage lenken, in welchen Beham ältere italienische 
Kupferstiche Motiv für Motiv copirte, aber höchst geschmackvoll in 
modernere Formensprache übersetzend, sein Vorbild in jedem Betracht 
übertraf. Die Baulichkeiten auf diesen und noch zwei anderen Blättern: 
Die Hochzeit zu Cannae und besonders das Fest der Herodias, können 
zugleich die eigenthümliche, noch unklare Auffassung der italienischen 
Renaissance-Architektur durch den deutschen Meister veranschaulichen. 
Diese Blätter sind allerdings keine Ornamentstiche, aber das ist ja 
eben ein falscher Gesichtspunkt, dass die genannten Künstler nur solche 
und nichts Anderes und immer nur in winzigem Formate gearbeitet haben. 
Uebrigens ist der Fall nicht ausgeschlossen, dass einzelne der kleinen 
Genrebildchen, Landsknechte, tanzende Bauern oder die Hochzeitstänzer 
des etwas vornehmer angelegten Aldegrever nicht ganz gut in ornamen- 
taler Art verwerthet werden konnten, z. B. auf Glasgemälden oder in 
kleinen Emailmalereien. Gerade Aldegrever hat Landsknechte, Bauern 
oder mythologische Figuren sehr gerne auf Vorlagen für Dolchscheiden 
angebracht, und zwar im oberen Theile, während er den unteren, gegen 
die Spitze zulaufenden Theil zumeist mit reinem Ornament in Blattwerk 
ausfüllte. Dabei hat er als praktischer Goldschmied nicht den antiken 
Akanthus benützt, sondern eine mehr heimische, dem Ranunkel- oder 
Feigenblatt ähnliche Form. die sich an langem Stile auch unsymmetrischen
	        
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