5
Stickei eien auf Leinwand, noch eine Kunst fortlcben, die in sich ebenso
künstlerisch vernünftig wie wirkungsvoll ist. Man konnte von ihnen
lernen, wie mit einfachen Mitteln Effecte zu erzielen seien, man konnte
lernen, wie Trau und Tochter des Hauses, statt Mühe und Zeit an
unnützer, augenverderbender Arbeit zu verlieren, ihre Haus- und Leib
wäsche, die Leinwand für Tisch, Tafel und Bett richtig und farbig zu
verzieren haben; man konnte diesen bäuerlichen Arbeiten neue Technik,
neue Motive der Ornamentation in Fülle entnehmen.
All’ dies zusammengenommen, die Arbeit des Orients wie die der
bäuerlichen und nationalen Hände, musste nun wohl zur Ueberzeugung
führen, dass, wenn die Stickerei wie ehemals als eine Kunst geübt
werden solle, wenn die Damenhand sie mit Geschmack und Erfolg auch
nur als angenehme Beschäftigung treiben solle, sie in ganz anderer
Art zu lehren sei. Man müsse unsere ordinären Stichmethoden, wenn
nicht aufgeben, doch auf das beschränken, wozu sie eben dienlich sind;
man müsse statt dessen die orientalischen und nationalen Methoden
einführen und mit ihnen zugleich das Gebiet der Anwendung erweitern
und die Stickerei ganz vorzugsweise auf die Verzierung der Wohnung
und ihrer Ausstattung hinlenken, wodurch sie auch eine erhöhte indu
strielle Bedeutung erhielte; man müsse endlich, um auch den gut
gezeichneten Mustern gute Ausführung zu sichern, die stickende Hand
zuerst zu einer zeichnenden machen.
Das waren etwa die Gedanken, die zur Gründung der ersten
Kunstschule für Stickerei führten, oder wie sie jetzt heisst, der Fach
schule für Kunststickerei, und ihrer heute bereits zahlreichen Nach
folgerinnen. Sie nahm alle die wie neu entdeckten Stickereimethoden
in ihr Programm auf, und führte den Zeichenunterricht und das Kunst
verständnis als die nothwendigste Grundlage ein. Man ging vernünftiger
weise langsam vor und erweiterte das Programm der Methoden Jahr
für Jahr. Anfangs waren die Muster zu fein linear, zu sehr entsagend
in Bezug auf die Farbe, denn die farbige Seide mit ihrem Glanze, die
sattgefärbte mild und weich schimmernde Wolle, das echte Roth und
Blau sind ja die schönsten, wirkungsvollsten Mittel, die vor allem der
Stickerei frei zu Gebote, stehen. Warum ihnen entsagen? Warum ver
schmähen, was so dankbar sich gebrauchen lässt? Dann kam die sog.
altdeutsche Stickerei in die Quere, Contourstickerei mit ein wenig von
Schattenstrichen, in Roth und Blau, bei denen es auf den Witz und
die Lieblichkeit der Zeichnung, des Gegenstandes ankam, nicht aber
auf die coloristische oder decorative Wirkung. Sie waren allzu mager-'
und dürftig, von diesem einzig richtigen Standpunkt aus betrachtet.
Allmälig kam man auf den richtigen Weg; schön geschwungenes
Ornament, Farbenwirkung, durchaus vollkommene Ausführung, in
welcher Technik immer, wurden das Ziel. Dabei kamen dann die
fremden Methoden, eine nach der anderen, zu ihrem Rechte, Goldfäden