vier weibliche Karyatiden; sie tragen das umlaufende, mit Akanthus-
blättern geschmückte Gebälk des Kranzgesimses, aus welchem das Dach
leicht und frei emporsteigt und sind von kräftiger, doch schlanker Gestalt,
welche flatternde Gewänder zum Theil verhüllen.
Zwischen und über ihnen, am Rande des Zeltdacbes schweben ge-
llligelte Putten in lebhafter, wie zum Tanze bewegter Stellung. Alle
überragt an Schönheit das Christuskind, das von einem Strahlenkranze
umgeben, mit leicht an die Brust gedrückter Linken und ausgestreckter
Rechten auf Wolkengrund sitzend, Mittelbau und Oberbau glücklich
verbindet 1).
Auf dem, in reich durchbrochener Arbeit ausgeführten Zeltdach
steht eine Statuette des Heilands, nackt, mit bauschigem Hüftentuch
umhüllt, den linken Arm hoch aufwärts, den rechten vor sich hal-
tend , den linken Fuß nach rückwärts stemmend. Die Figur ist
schwächlich, wenn sie gleich anatomische Schulung des Künstlers zeigt.
Wirken die fröhlichen Gestalten der Putten und Karyatiden mit er-
frischender Sinnlichkeit, so zeigt uns das auf der Thüre des Häuschens
angebrachte Relief ein Bild von erschlitternder Gewalt und Tiefe: einen
') lch bemerke, dass der Gypsgießer des Oesterr. Museums noch aus den Vier-
ziger Jahren eine Stückform dieser lieblichen Gestalt besitzt, 'die allerdings nicht vom
Originale, sondern von einem andern Gypsabgusse abgenommen und im Laufe der Zeit
sehr stumpf geworden ist. Dieser Gypsabgtms geht seit seinem Bestehen unter dem
Namen Fiammi n go's. Kreittmayer in München hat gleichfalls Abgüsse dieses Christus,
welche, wie ich an einem Beispiele gesehen habe, von noch besserer Art als das Kind
auf unserem Tabernakel sind, so dass man für's Erste geneigt sein könnte, den augen-
scheinlichen Unterschied durch eine spätere Uebermalung des Urbildes zu erklären.
Diese Ansicht entspricht aber den Thatsachen nicht, denn die Bemalung ist entschieden
eine alte und ich habe auf ihr sogar noch Spuren der Abformung entdeckt; allerdings
konnte aber der Münchener Abguss aus einer freien Nachbildung des Urbildes ent-
standen sein. Wie immer sich dies nun verhalten mag, eine nähere vergleichende Be-
trachtung dieser und der anderen Figuren zeigt, wie mir auch Professor Klotz besta-
tigte, in der Behandlung der Körperformen einen wesentlichen Unterschied zu Gunsten
des Christuskindes, und ich bin zu der Ueberzeugung gekommen, dass der Meister,
welchem wir Altar und Tabernakel mit all' ihrem reizenden Schmuck verdanken und
dessens Namen festzustellen später versucht werden soll, die Figur von einem besseren
Vorbilde copirt hat. Hiemit steht in erfreulicher Uebereinstimmung eine Mittheilung, die
mir beim Niederschreiben dieser Zeilen zugekornmen ist, dass in der Malerfamilie Gliedina
zu Cortina, welche viele, leider nur mündliche Ueberlieferungen über den Altar bewahrt
hat, die Erinnerung nachlebt, der Künstler habe sich bei der Anfertigung des Christus-
kindes das Werk eines niederländischen Meisters zum Vorbild genommen. Dieser
Meister wird niemand Anderer als Francois du Quesnoy, genannt il Fiammingo (1594
bis 1644) gewesen sein, dessen größtes Verdienst in der überaus naturivahren Darstellung
vonKinderüguren besteht, und dem wir nebst vielem Anderen den Brunnen des Manneken-
Pis in Brüssel verdanken. Er ,lebte bekanntlich lange in Rom und sein Schalfen war
ein forttvahrender Protest gegen die übermächtige Manierirtheit der Richtung Bernini's.
Seine Wirkung auf unseren Künstler ist nicht zu verkennen, wenn sie auch keine un-
mittelbare war, denn dieser kam um ein halbes Menschenalter später zur Welt, als
jener starb.