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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: Norbert Ehrlich
21. Jahrgang Wien, 15. September 1929 Nr. 18
Die JCunsfschäfze des Palais Schaumburg in J3onn.
Die Innen - Einrichtung und die Kunstgegen
stände des Palais Schaum bürg in Bonn, wer
den als Konkursmasse der Frau Alexander Zoub-
k o f f, geborenen Prinzessin Victoria von
Preußen, im Auftrag des Konkursverwalters durch
die Kölner Firma Math, Lempertz vom 15, bis
19, Oktober versteigert.
Das Palais Schaumburg war Jahrzehnte hin
durch der gesellschaftliche Mittelpunkt von Bonn,
der Fürstenhof des deutschen Westens. Engste ver
wandtschaftliche Bande verknüpften ihn mit den
Familien der englischen Welfen, der Hohenzollern,
der Schaumburger, der Hessen und anderer. Das
repräsentative Haus sah im Laufe seines Bestehens
zahlreiche Fürstlichkeiten in seinen Räumen als
Gäste.
Paul C 1 e m e n hat im Band „Bonn“ seines
großen Werkes „Die Kunstdenkmä’ler der Rhein
provinz“ auch die Hauptkunstwerke des Palais
Schaumburg beschrieben. Er sagt einleitend: „Die
Sammlung Seiner Durchlaucht des Prinzen Adolx
von Schaumburg - Lippe und Ihrer Königlichen
Hoheit der Frau Prinzessin Victoria, geb. Prinzessin
von Preußen, im Palais Schaumburg in der Kob
lenzerstraße, enthält eine Fülle von Kunstwerken
und Ausstattungsgeräten zumal des 17., 18. und des
beginnenden 19. Jahrhunderts, die in den Räumen
und Korridoren des von Oberhofbaurat Ihne im
letzten Jahrzehnt erweiterten Palais (der ehemaligen
Villa Loeschigk) mit erlesenem Geschmack aufge
stellt und zu harmonischen Gesamtwirkungen ver
einigt sind,“
Wirft man einen Blick auf die überaus zahl
reichen Bestände, so wird man bald inne, daß sic
sich in der überwiegenden Hauptsache zusammen
setzen aus altem Erbgut der Ursprungshäuser der
beiden Ehegatten, Prinz Adolf zu Schaumburg-
Lippe und Prinzessin Victoria von Preußen.
Viele Möbel und Bilder stammen aus dem Kaiser-
Friedrich-Palais und tragen auf der Rückseite noch
die betreffenden Inventarzettel oder das Mono
gramm V, der Kronprinzessin Victoria, späteren
Kaiserin Friedrich, die selbst schon manches
dieser Stücke als Heiratsgut aus ihrem elterlichen
Hause mitbekommen hatte.
Letzteres gilt in erster Linie von vielen Ob
jekten der überaus reichen Silberkammer, in
der das Alt-Londoner Silber den breitesten Raum
in Anspruch nimmt. Hier werden Stücke, wie die
beiden herrlichen Barockterrinen auch in England
Aufsehen erregen, zu schweigen von der großen
Reihe all der anderen Arbeiten, die sich bis in die
Spätzeit der Königin Victoria fortsetzt. Außerdem
werden manche Arbeiten aus Augsburger, Hambur
ger und anderen deutschen Werkstätten beim Lieb
haber die gebührende Beachtung finden. Freunde
exotischer Silberkunst werden das überaus reich
ziselierte, zusammen über 44 Pfund schwere japani
sche Silberservice schätzen, das Kaiser Wil
helm I. seinem Sohn Friedrich und seiner Schwie
gertochter Victoria zur silbernen Hochzeit schenkte.
Unter der großen Abteilung Möbel fallen
viele alte Sitzmöbel auf (deutsche, holländische,
französische) sowie als besondere Kostbarkeiten
drei kleine französische Furniermöbel des 18. Jahr
hunderts (ein table rognon und zwei Nachtschränk
chen). Besonders zahlreich sind die schönen Maha
gonimöbel des Empire und des deutschen Klassizis
mus, die sich zu geschlossenen Zimmereinrichtungen
zusammensetzen lassen. Als Barockstücke kulmi
nieren ein Marmorkamin mit Boiserie und dem Bild
nis des Kölner Kurfürsten Clemens August (aus dem
Brühler Schloß) sowie ein Schreibsekretär mit aus
drucksvollen Bronzen, der wohl am Rhein um die
Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden ist.
Als Kunstwerke sowohl wie als hohenzollern-
scbe Familienstücke sind die Oelbildnisse des Kaisers
und der Kaiserin Friedrich von Heinrich A n g e 1 i,
das überlebensgroße Bildnis Friedrich Wilhelms III.
von Franz Krüger, eine Marmorbüste des gleichen
Königs von Christian Rauch zu werten. Unter den
Gemälden alter Meister sind hervorzu
heben ein sehr schönes Stilleben, das dem Jan
Davidsz de LI e e m nahesteht, sowie dekorative
Fürstenbildnisse des 18. Jahrhunderts, unter denen
das bedeutendste das Bildnis eines preußischen
Prinzen vom Ende des 18. Jahrhunderts in Pastell
ist. Erwähnt sei auch ein von Benjamin Bolo-
m e y signiertes Bildnis eines fürstlichen Knaben in
gestreiftem Maskenanzug aus dem letzten Drittel des
18. Jahrhunderts, sowie zwei feine italienische Hand
zeichnungen des 16. Jahrhunderts, deren eine wohl
in den Kreis des Lionardo da Vinci zu setzen ist.
Paul Clemen bildet in seinem Werk zwei
barocke Holzplastiken ab, die zu einer Serie von
vier Jahreszeitenfiguren gehören, und charakterisiert
diese Arbeiten als „höchst bewegt, von guter deko-