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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1874 / 100)

Weisheit der griechischen Welt in seinen Werken niedergelegt hat _- in 
Aristoteles nämlich , welcher in dem leider unvollendeten achten Buche seiner 
Politik von der Erziehung spricht, und als die vier Hauptgegenstände des 
damaligen Jugendunterrichtes Grammatik, Gymnastik, hie und da auch 
Zeichnen und Musik bezeichnet. Von letzterer allerdings meint er, dass 
über ihre Nützlichkeit Zweifel erhoben werden , da die Meisten dieselbe 
nur zum Vergnügen betreiben. Die Gymnastik komme zur Anwendung, 
als geeignet den männlichen Muth auszubilden, die Grammatik und das 
Zeichnen werde der Nützlichkeit halber betrieben. Es ist aber gewiss 
bezeichnend für Aristoteles und eines Philosophen würdig, dass er diese 
Nützlichkeitstheorie, welche damals beim griechischen Jugendunterrichte 
verwaltete, in ihrer Einseitigkeit nicht gelten lässt; denn er glaubt, dass 
es eine Jugendbildung gebe, die man den Kindern angedeihen lässt, nicht 
weil sie nützlich oder nothwendig, sondern weil sie "eines Freien würdig 
und etwas Schönesn ist. _ 
Und von diesem Standpunkte spricht er auch vom Zeichnen; nman 
lernt es", so sind seine eigenen Worte, vnicht sowohl deshalb, um bei 
Einkäufen keinen Fehler zu begehen, und sich beim Kauf und Verkauf 
von Geräthen und Kunstsachen nicht betrügen zu lassen, als vielmehr 
deshalb, weil diese Kunst den Blick für körperliche Schönheit schärft. 
Ueberall nach dem Nutzen zu fragen, geziemt am wenigsten hochsinnigen 
und freien Menschen-r. 
Obwohl Aristoteles sich über den Zeichenunterricht weiter nicht so 
verbreitet, wie über Musik, so sieht man doch ganz deutlich, dass er auf 
der einen Seite das Zeichnen für nützlich und auf. der andern auch als 
den Menschen bildend, den Schönheitssinn fördernd erkannt hat. Und wie 
zu Aristoteles" Zeiten, so tritt auch in den heutigen beim Zeichenunter- 
richte dieser doppelte Standpunkt hervor. Das eine Mal wird er von vielen 
Kreisen verlangt, weil er nützlich ist, und von anderen Seiten wird er ver- 
langt, weil er den Sinn für das Schöne fördert. Bei keinem Zweige des öffent- 
lichen Unterrichtes vereinigt sich der utilitarische Gesichtspunkt mit dem 
idealen in so hohem Grade als bei diesem, und das macht es vielleicht, 
warum in den verschiedensten Kreisen der Gesellschaft die Erkenntniss 
dllfChdrillgt , den Zeichenunterricht ausdehnen und ihn zugleich ver- 
tiefen zu sollen. In einer kurzen Spanne Zeit sprachen sich in den Räumen 
des Museums Vertreter der verschiedensten Richtungen des Lebens über 
diese Frage aus: Künstler, welche die Vorbildung zum Eintritte in die Aka- 
demie der bildenden Künste erörterten, und Fabrikanten der Baumwoll- und 
Seidenindustrie, welche den Zeichenunterricht vom Standpunkte der För- 
derung ihres Industriezweiges besprachen, d. h. einmal Männer, welche die 
Kunst um der Kunst, das Zeichnen um des Zeichnens willen treiben, und 
das andere Mal Industrielle, die ihren Blick auf den Weltverkehr gerichtet, 
ihre Waare durch gute Zeichnung verbessert wissen wollten, damit sie ge- 
eignet sei, die, Chancen des Wcltverkehres leichter undsicherer zu ertragen.
	        
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