Früher konnte man die Zeugnisse als eine Notwendigkeit
betrachten, da die Eltern erst dadurch einen Überblick über
den Fortgang des Lernens ihrer Kinder erhielten. Jetzt ist
dies anders. Die Eltern verfolgen im allgemeinen den Untere
rieht und die Arbeit in der Schule und erhalten während
des Schuljahres die notwendigen Auskünfte über die Fort
schritte des Kindes. Die Schule muß ihren Verpflichtungen
in dieser Hinsicht nachkommen und die Eltern über den
Studiengang ihres Kindes im laufenden Jahre genau in
formieren. Die Samschule hat hauptsächlich aus diesen
Gründen beschlossen, den Kindern keine Termin- oder
Jahreszeugnisse auszustellen.
Anderseits erkannte die Schule die Notwendigkeit, ihr Urteil
über jedes Kind im Laufe des Jahres dann und wann
schriftlich zusammenzufassen und den Eltern mitzuteilen.
FERIENARBEITEN.
Der allgemeine Wunsch, daß die Kinder während der langen
Ferienzeit nicht ganz müßig sein sollten, bestimmte die
Einführung der Ferienarbeit.
Die Erfahrung zeigt jedoch, daß eine Änderung in der Form
der Ferienarbeiten eintreten müsse.
Die Ferienarbeit liegt wie eine Last auf dem Gewissen der
jungen Menschen und läßt sie ihre Ferienzeit nicht im vollen
Umfange genießen. Hauptsächlich aus diesem Grunde ist
die Forderung der Ferienaufgaben als einer Zwangsarbeit
in der Samschule entfallen und sind diese Arbeiten auf
Freiwilligkeit begründet.
Die Schule hat bei Beginn des neuen Schuljahres von ihren
Schülern nichts zu fordern.
Die Reformen, welche jetzt in dem Unterricht und der Er
ziehung erwartet werden, sind von überaus ernster Art.
Es handelt sich dabei nicht bloß um Verbesserungen, sondern
vielmehr um die Grundlage ganz neuer Prinzipien.
An der Spitze dieser Forderungen steht diejenige, daß im
Unterricht und in der Erziehung auf das Recht des Kindes
Rücksicht genommen wird. Ebenso wie in das Leben der
Erwachsenen kann auch in das des Kindes ein unberechtigter
Eingriff gemacht werden.
Der Erzieher muß genau die Grenzen seines eigenen Rechtes
sowie auch die Rechte des Kindes kennen.
Ein Beweis dafür, daß das Vorhergesagte eine Hauptfrage
in der Reformarbeit bildet, wird durch den Umstand erbracht,
daß alle Gedanken sich mit dem jetzigen Religionsunterricht
und dessen Reform befassen.
Der Unterricht und die Erziehung greifen in das innerste
Wesen des Kindes ein. Und hier beabsichtigt man nun, das
ursprüngliche Recht des Kindes vor allem zu schützen. Bei
dem früheren Erziehungssystem wurde dieses Recht zumeist
unterdrückt und gekränkt. Darum soll die Durchführung
einer vollen Religionsfreiheit mit Rücksicht auf die Schüler
die Hauptfrage bei der Unterrichtsreform selbst sein. Es
handelt sich hier um den Unterschied, der zwischen dem
Unterricht in dem Fache: Religion oder Christentum und
der Erziehung zu einer gewissen Überzeugung oder einem
Bekenntnisse gemacht werden muß. Nur bei einer falschen
Auffassung wird der Lehrer letzteres als seine Pflicht be
trachten.
Der Lehrer muß diese Dinge genau voneinander unter
scheiden und es als seine einzige Aufgabe betrachten, die
freie Überzeugung durch seinen Unterricht zu fördern.
Dieser muß so geleitet werden, daß durch ihn die Ent
wicklung einer möglichst selbständigen Überzeugung be
wirkt wird.
Die Schule drängt den Schüler zu keiner bestimmten Über
zeugung, sondern gibt ihm vielmehr die Gelegenheit, sich
eine solche selbst zu bilden. Im übrigen muß bei dem Religions
unterricht mehr als bei den anderen Fächern auf das Recht
der Eltern Rücksicht genommen werden. Die Schule muß
im allgemeinen bestrebt sein, den Unterricht im Sinne des
diesbezüglichen Übereinkommens mit den Eltern zu leiten
und hiebei das größte Entgegenkommen zu zeigen. Das ist
besonders bei der Erteilung des Religionsunterrichts notwendig.
Der Religionsunterricht ist daher in der Samschule in der
Beziehung frei, daß die Eltern die Kinder in den niederen
Klassen von demselben dispensieren lassen können. In den
höheren Klassen muß die Schule das größte Gewicht auf die
eigenen Wünsche und den Standpunkt der Kinder selbst legen.
Wenn die Schule auf dem empfindlichsten Gebiet das Freiheits
prinzip durchführt, wird die Freiheit des Kindes sich nach
und nach auch in allen übrigen Richtungen hin entfalten.
Die Freiheit im Spiel, in den Bewegungen, in der eigenen
Initiative auf allen Gebieten des Unterrichts, Freiheit im
Wesen und Verhalten in der Schule, in Worten und im
Handeln.
Das jetzige Erziehungsproblem wird somit in seinen Haupt
zügen gelöst sein.
ES TRIFFT SICH ZUFÄLLIG, DASS ICH ET
WAS PRAKTISCHE BEZIEHUNG MIT SCHU
LEN FÜR DIE JUGEND VERSCHIEDENER
GESELLSCHAFTSKLASSEN HABE UND
ICH ERHALTE VIELE BRIEFE VON ELTERN
IN BEZUG AUF DIE ERZIEHUNG IHRER
KINDER. UNTER DER MASSE DIESER BRIE
FE FALLT MIR IMMER AUF, WIE SEHR DER
GEDANKE AN EINE „LEBENSSTELLUNG“
ALLE ANDEREN GEDANKEN DER ELTERN
UND BESONDERS DER MÜTTER ÜBER
WIEGT. „DIE ERZIEHUNG, WELCHE FÜR
DIESE ODER JENE LEBENSSTELLUNG BE
FÄHIGT“ — DAS IST IMMER DIE REDE, UM
DIE SICH ALLES DREHT. SIE SUCHEN, SO
WEIT ICH ES BEURTEILEN KANN, NIE
MALS EINE AN SICH GUTE ERZIEHUNG;
JA, DIE BRIEFSCHREIBER SCHEINEN NUR
IN SELTENEN FÄLLEN EINEN KLAREN
BEGRIFF VON ABSTRAKTER RICHTIGKEIT
DER ERZIEHUNG ZU HABEN. ABER EINE
ERZIEHUNG, „DIE MEINEM SOHNE EINEN
WARMEN ROCK VERSCHAFFT; — DIE IHN
BEFÄHIGT, MIT SELBSTBEWUSSTSEIN IN
VORNEHMEN HÄUSERN BESUCH ZU MA
CHEN; — KURZ, DIE IHM EIN VORWÄRTS
KOMMEN IM LEBEN VERSPRICHT; — DAS
IST ES, WAS WIR KNIEFÄLLIG ERBITTEN
— UND DAS IST ALLES, UM WAS WIR
BITTEN.“ JOHN RUSKIN.
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