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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1873 / 91)

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Nach der Ansicht der französischen Forscher ist die Feuersteinwaffe 
von Saint-Acheuille und Abbeville aus dem Sommethal die älteste. Sie 
ist auf beiden Seiten convex, mandelförmig zugehauen und wurde nach 
ihrer Meinung mit der Hand geführt. Mortillier meint, dass diese Waffe 
das einzige Werkzeug desjenigen Menschen war, der mit dem Elephas 
antiquus und dem Hippopotamus noch vor der Eiszeit jene Gegenden 
bewohnte. 
Als eine spätere Form erscheint ihm die von Moustier, welche nur 
auf einer Seite vconvex und bei gleichen Umrissen rundum scharfkantig 
ist. Diese wurde schon in ein gespaltenes Holz geklemmt. Gegen das 
Ende der Mammuth- und den Beginn der Rennthierzeit, die von jenem 
Gelehrten als aufeinanderfolgend gedacht wird, vervollkommnet sich die 
Industrie des Feuersteines sehr bedeutend. Wir haben da schon die rund- 
liche Form der Grattoirs, die lorbeerblätterförmige Lanze, die kantigen 
Splitter, die als Messer benutzt wurden und den als Pfeil verwendeten 
Splitter. Erst mit diesen schon sehr vervollkommneten Werkzeugen und 
Waffen, welche an Stielen und Handhaben befestigt wurden, ward eine 
Bearbeitung der Knochen und der Geweihe vorgenommen. 
Die älteren Formen von Saint Acheuille und Moustier werden sel- 
tener und verschwinden gänzlich. An Thieren lebten noch das Marnmuth, 
das Rhinoceros, der Höhlenbär u. s. w. 
Nun tritt in der Zeit der letzten grösseren Ueberschwemmungen, 
die durch das Abschmelzen der Gletschermassen hervorgerufen wurden, 
in der Zeit des häufigen Vorkommens des Rennthieres, des Vielfrasses und 
der Gemse, des Auerochsen und des Auerhahns eine sich schnell fast zu 
künstlerischer Höhe aufschwingende lndustrie des Knochen- und Horn- 
materiales ein. 
Es finden sich in den Höhlen Belgiens, des Perigords und der Dor- 
dogne sowohl, wie in den Erdschichten des Seine-Thales unmittelbar bei 
Paris nicht nur Knocheninstrumente aller Art, sondern auch plastisch ge- 
arbeitete, mit thierischen Emblemen gezierte Gegenstände, die als Luxus- 
artikel betrachtet werden können. 
Man nannte diese plastisch gearbeiteten Gegenstände nCornmando- 
stäben, wohl nur, um ihnen überhaupt einen Namen zu geben, da eine 
praktische Verwendung dieser derartig gezierten Rennthier-Geweihstücke 
nicht auffindbar war. Für uns ist es genug, zu wissen, dass in der Stufen- 
leiter der Entwicklung der Mensch so bald nach seinem ersten Auftreten 
in Europa, wo ihm noch eine so primäre Waffe zugeschrieben wird, wie 
es der Feuersteinsplitter von Saint Acheville ist, und wo die Formen sich 
auf sehr wenige, oder wie einige glauben, gar nur auf eine einzige be- 
schränkten, in dem Zeitraume, in dem das Mammuth unsere Länder- 
strecken bewohnte, die Industrie bereits einen so bedeutenden Aufschwung 
genommen hat, dass wir von künstlerischen Motiven sprechen können. 
Und wirklich sind die auf grösseren Rennthierschaufeln eingeritzten Bilder, 
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