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profanen Architektur sind aber um so mehr vernachlässigt worden. Der Kaiser-
palast zu Gelnhausen, die Wartburg, das Heidelberger Schloss, das sind Fälle,
wo einem kleinen Staate die Mittel fehlen. Eine Reichscommission hätte in
solchen Fällen die Mittel der kleinen Staaten zu ergänzen.
Seit mehr als Jahresfrist habe ich mich mit diesen Ideen getragen, habe
sie mit Fachmännem besprochen, habe sie auch mit einigen Mitgliedern des
deutschen Reichstages durchgesprochen, namentlich mit Lasker. Ich selber
habe dann diese Beschäftigung vorläufig aufgegeben, weil damals schon meine
Berufung nach Oesterreich spielte. Jetzt kommt aber ein Ereigniss, das es
zu einer Nothwendigkeit macht, die Sache doch nicht aufzuschieben.
Wie Sie wissen, ist vor einigen Wochen etwas davon in die Oeifentlich-
keit gedrungen, dass der deutsche Architekten-Verein die Absicht hat, mit
dieser selben Frage an den Reichstag heranzutreten und eine Petition
einzureichen. Darin liegt auch für uns die Nothwendigkeit, die Sache
anzufassen. Hier liegt die Befürchtung nahe, dass die Architekten allein
und einseitig die Sache in die Hand nehmen und dass an die Frage der
Conservirung der alten Denkmäler eine ähnliche Gefahr herantritt, wie
ich sie näher in Bezug auf Frankreich erörtert habe. Dem müssen wir
vorbeugen. Die Architekten schliessen sich gegen die Bestrebungen der
Kunstwissenschaft ab. Weil sie unter sich Persönlichkeiten haben, die als
Specialforscher Tüchtiges gewirkt haben, glauben sie, auch die rein wissenschaft-
liche Seite der Sache zu beherrschen. Aber da werden wir zu befahren haben, dass
der Praktiker über den Theoretiker den Sieg davon trägt. Wenn der Architekten-
Verein in diesem Sinne eine Petition an den Reichstag einreicht, so können
wir Bestimmungen erwarten, welche womöglich die Kunstwissenschaft aus-
schliessen von der Mitwirkung bei solchen Fragen. Wir dürfen uns nur daran
erinnern, wie im deutschen Reichstage im ähnlichen Falle schon vorgegangen
worden ist, nämlich bei Gelegenheit der Concurrenz für das Haus des deutschen
Reichstages. ' _
Sie sehen, dass hier Gefahr im Verzuge ist; und so möchte ich lhnen
den Vorschlag machen, die Frage unsererseits nicht ausser Acht zu lassen.
Wir sind augenblicklich nicht fähig, eine Petition bereits vorzulegen und hier
zur Berathung zu bringen; ich möchte aber den Vorschlag machen, aus unserer
Mitte eine Commission von Kunsthistorikern einzusetzen, der wir den Auftrag
geben, sich zu instruiren, wie man die Frage bisher behandelt, auf Grund
dieser Kenntnissnahme dann einen Gesetzesvorschlag zu formuliren und aus-
zuarbeiten, den diese Commission an das ständige Präsidium des Congresses
noch im Laufe des nächsten Winters einzureichen haben würde, damit dieses
noch zur nächsten Session eine Petition mit den bestimmt formulirten gesetz-
lichen Vorschlägen einreichen könnte. Ich gebe dies in Form eines Antrages:
vDer kunstwissenschaftliche Congress ernennt eine Commission, welche.
eine an den deutschen Reichstag zu richtende Petition ausarbeitet, des Inhalts,
dass von Reichswegen gesetzliche Bestimmungen für Erhaltung der nationalen
Kunstdenkmäler getroffen werden mögen und eine oberste Behörde für Er-
forschung und Erhaltung der Denkmäler eingesetzt werde.
Das Präsidium reicht die von der Commission ausgearbeitete Petition
dem deutschen Reichstag einm „
Secretär Dr. Gädertz aus Lübeck erhält das Wort zu einer ange-
meldeten Mittheilungi
Ich wollte mir erlauben, auf einen Uebelstand hinzuweisen, der immer
mehr überhand nimmt, und der mir besonders störend vor Kurzem wieder in