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hervorragender Dom, etwa der von Köln oder Strassburg, für den gothischen
Styl) erörtert. Ob die Renaissance-Architektur mit einbezogen werden kann,
erscheint mir zweifelhaft. Die Lehre von den Baustylen möchte ich als Mittel-
punkt des kunsthistorischen Unterrichtes in Mittelschulen angesehen wissen,
daran geknüpft, was der Lehrer über den Organismus eines Kunstwerkes, über
die Glieder in der Kunst und ihr Verhältniss zu einander, über die Zierraten,
über den äusseren Kunstbetrieb und über die Einordnung der Kunst in das
Volksleben zu sagen weiss.
Angeschlossen kann werden die Lehre von plastischen Typen, erklärt an
den antiken Göttertypen und einzelnen hervorragenden antiken Statuen, Gruppen
und Reliefs; was aber die neuere Malerei betrifft, so würde es genügen, etwa
an Leonardos Abendmahl oder noch besser an Rafael's Teppichcartons die Ge-
setze der Composition, den Stil, überhaupt den Process, der eine künstlerische
Schöpfung hervorruft, anschaulich zu machen.
Das Wichtigste bleibt freilich, in den Lehrern der Mittelschulen das In-
teresse für Kunstgeschichte zu wecken, so dass diese keine Gelegenheit ver-
säumen, die Schüler in das Gebiet der Kunst einzuführen und den idealen
Sinn zu beleben. Ob das beste Mittel das wäre, die Facultas für Geschichte
in den oberen Classen nur Candidaten zu ertheilen, die sich über kunsthisto-
rische Kenntnisse ausweisen können, bleibt dahingestellt.
Die Frage lll, z: "Anschauungsunterrichtn bejahe ich unbedingt,
möchte sogar die Forderung aufstellen, dass dem Schüler nichts über Kunst
und Kunstwerke gesagt wird, was nicht auch seinem Auge sinnlich vorgeführt
wird. Es bedarf keines reichen Apparates. Ausser den Mitteln, welche in
jeder wohlgeordneten Schulbibliothek vorhanden sind, wären zu empfehlen das
Modell eines dorischen und ionisen Tempels, einige Abgüsse von Götterköpfen
und im grossen Maßstabe gezeichnete Baurisse und photographische Ansichten
von Architekturen. Der verstorbene Kupferstecher Keller hatte auf meine An-
regung den Plan gefasst, die RafaePschen Cartons mit Staatsunterstiitzung zu
stechen und an Mittelschulen Exemplare zu vertheilen. Vielleicht liesse sich
der Plan wieder aufnehmen.
Ad lll, 4,: "Wie ist der Zeichenunterricht an Universitäten
beschaffenh kann man nur mit einer Jererniade antworten.
Mehrere Universitäten haben die Lehrerstellen eingehen lassen, andere
gar nicht errichtet, in anderen fristen die Zeichenschulen kümmerlich das Da-
sein. Da die naturhistorischen Disciplinen den Mangel eines Zeichenunterrichtes,
welcher die Studenten befähigt, für wissenschaftliche Zwecke Zeichnungen zu
entwerfen, Gegenstände genau zu skizziren, gleichfalls verspüren, so ist viel-
leicht durch gemeinsame Agitation mit Naturforschern eine Besserung zu er
zielen. Ein Reformplan, von mir im Einverständniss mit dem Professor der
Anatomie Geheimrath Schultze entworfen, liegt bei den Acten der Bonner
Universität. Die Hauptsache ist, dass man darauf verzichtet, durch Zeichen-
unterricht an den Universitäten halbe Künstler erziehen zu wollen.
Ad llI, 5: vLehrmittelsarnmlungen für Kunstgeschichtem Bei
der Gründung das Apparates für die Universität Leipzig (auf mittlere und
neuere Kunst eingeschränkt) machte ich folgende Erfahrungen und ging ich
nach folgenden Gesichtspunkten vor:
Die.Mittel für den Anschauungsunterricht in der Architekturgeschichte sind
am leichtesten zu beschaffen, da unsere Bibliotheken die hervorragendsten
Werke besitzen. Durch Publicationen der Architektenvereine, durch Einzel-
photographien können vorhandene Lücken ohne grosse Kosten ausgefüllt wer-
den. Was ich schmerzlich vermisste, sind Modelle verschiedener Gewölbeforrnen.