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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1874 / 106)

kleinen Schiebladen der Commode erinnern mit ihrer rautenförmigen De- 
coration auch an die rnaureskische Verzierung der erwähnten spanischen 
Schreibkästen. 
Sehen wir uns nun nach diesen mehr exceptionellen Gegenständen 
nach denjenigen Möbelstücken um, welche die charakteristischen Eigen- 
thümlichkeiten der Renaissance tragen, so wird es dem Kenner wohl auf- 
fallend erscheinen, dass Italien, die Wiege der Renaissance und noch heute 
die Quelle zahlreicher Möbelstücke dieser Kunstepoche, obwohl es uns 
doch so nahe liegt, verhältnissmässig wenig vertreten ist. Das einzige 
wirklich charakteristische Stück ist (Nr. 94) eine Truhe aus dem Besitz 
des Herrn von Rosenberg, mit flotten freien Figurenreliefs und kräfti- 
gem plastischen Ornament. Das Stück bezeichnet in seiner elfectvollen 
Art mit goldenem Grund, von dem sich die dunklen Figuren abheben, 
und sonstigen Vergoldungen im Ornament den decorativen Styl im Innern 
der venezianischen Paläste des sechzehnten Jahrhunderts. Zwei andere 
Gegenstände, ein Schreibkasten (Nr. 95), aus dem gleichen Besitz, und ein 
kleiner Wandkasten (Nr. 27), Eigenthum des Herrn Zelebor, beide Ge- 
nueser Arbeit aus dem sechzehnten Jahrhundert, sind, namentlich der 
erstere, im höchsten Grade originell und charakteristisch für den Ort 
ihrer Herkunft, aber rnit vielen vortretenden kleinen Figuren, die mit dem 
Baudes Geräthes fast in gar keinem Zusammenhange stehen, zu barock, 
um uns irgendwie zum Muster oder zur Lehre dienen zu können. Trotz- 
dem haben sie natürlich ihr Interesse sowohl für den Kunstfreund wie für 
die geschichtliche Kenntniss. 
Weit besser als Italien ist die Renaissance des Nordens vertreten, vorn 
Nieder-Rhein und Holland angefangen bis nach Scandinavien hinauf. Auch 
Frankreich hat uns ein paar gute Kästen geliefert, wenn auch nicht mehr 
der ersten Renaissance angehörig. Der ältere derselben ist Nr. 117, Eigen- 
thum des Herrn von Rosenberg, der jüngere Nr. 90, Eigenthum des 
Grafen Nak o, aus der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts. Beide 
zeichnen sich durch ein gutes und reiches Relief aus, das sich über die 
gewöhnlichen Arbeiten erhebt. 
Von diesem Standpunkt aus, dem der Schönheit und Feinheit des 
Reliefs, können die deutschen und nordischen Arbeiten nicht mit ihnen 
wetteifern. Ihr Vorzug ist in den meisten Fällen eine gesunde Construc- 
tion und eine gute Gliederung, wozu ein plastischer Schmuck hinzutritt, 
der allerdings in den meisten Fällen von handwerksmässiger Ausführung 
ist, aber dem Material und der Sache entspricht. Die meisten .Gegen- 
stände dieser Art kommen nicht aus den Schlössern oder den Sacristeien, 
wie gewöhnlich in Süd-Deutschland, sondern aus dem wohlhabenden, be- 
häbigen Btlrgerhause oder dem reichen Bauemsitze, wie dieselben die 
Küsten der Nordsee von der Mündung des Rheines bis zur Spitze von 
Jlltland begleiten. Ihre Herkunft ist also keineswegs vornehmer Art, sie er- 
heben keine Ansprüche und haben sie nie erhoben und doch sind sie von
	        
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