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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1874 / 108)

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Wenn wir den Nutzen, den die wohl eingerichtete Arbeitsschule bringt, in's Auge 
fassen, wie sie durch die einfachen Kunstfertigkeiten, die sie lehrt, Anstand, Ordnung und 
Behagen in den Haushalt einführt und selbst für den Wohlstand der Bevölkerung nicht 
wenig beizutragen vermag, so scheint es als ein dringendes Gebot, für die Verbreitung 
dieser Schule das Moglichste zu thun. Wie wir aus den wenigen statistischen Berichten, 
welche aus den Provinzen vorliegen, ersehen können, ist die Einführung des Arbeits- 
unterrichtes an den Volksschulen noch bei weitem nicht allgemein zu Stande gebracht. 
Wahrend in vielen Bezirken Tirols jede Volksschule den Unterricht in den weiblichen 
Handarbeiten pflegt, berichten einzelne Districte, wie Ampezzo, dass bei dem Mangel 
jedweder Arbeitsschule auch in der Volksschule nur in der lll. Classe im Stricken und 
im Nahen grober Bauernhemden Unterricht ertheilt wird. Aehnliches berichtet Ober- 
österreich über einige Bezirke, und namentlich Schlesien, wo die Eltern die kleinen Mad- 
chen vorzeitig zur Feldarbeit verwenden und dadurch am Schulbesuche hindern. Ein 
Grund, der an vielen Orten, namentlich in den Gebirgsgegenden, die kleinen Schülerinnen 
am Besuche der Arbeitsschule hindert, ist die Armuth der Eltern, welche diesen letzteren 
nicht gestattet, auch nur das einfachste Arbeitsrnateriale für ihre Kinder bcizuschalfen. 
An einigen Schulen ist gegen diesen Mangel vorgesorgt; die Privatwohlthatigkeit und 
Stiftungen haben für einzelne solche Falle das Gebotene gethan, aber für die Mehrzahl 
derselben ist nichts geschehen. Es ware eine der grbssten Wohlthaten für die Land- 
bevölkerung einzelner Bezirke, namentlich der Gebirgsgegenden, wenn dort den ärmsten 
Kindern das Nothwendige an Stoff und Faden beigestellt würde und sie so der Wohlthat 
des Unterrichtes theilhaftig werden konnten. Die dazu erforderliche Summe ware gewiss 
geringe im Verhaltniss zu dem Nutzen, der durch ihre Verwendung gestiftet würde und 
den die Hande, welche arbeitsfähig gemacht werden, der Mitwelt bringen können. Viele 
Frauenvereine Oestetreichs haben die Nothwendigkeit solcher Massregeln erkannt und fast 
allenthalben wird an deren Schulen für das Arbeitsmateriale vorgesorgt. ln Galizien, wo 
namentlich in den Dörfern mit futhenischer Bevölkerung die Nnthwendigkeit des Schul- 
besuches noch wenig anerkannt ist, haben einzelne Gutsherren - eben durch das Spen- 
tien des Arbeitsmateriales - die Madchenschulen auf ihren Gütern zu höchst populären 
Instituten gemacht. Viel leichter und viel wirksamer wäre eine solche Massregel in den 
Händen der Regierung, welche derartige Spenden in natura vertheilen lassen und damit 
auf den Eifer und Ehrgeiz der kleinen Schülerinnen auf das Vortheilhafteste Einfluss 
nehmen könnte. 
Zum Schlusse muss ich noch der statistischen Berichte Erwähnung thun, die ich 
als Behelfe in Händen habe. Leider habe ich solche nur von Oberösterreich, Kärnthen, 
Krain, Salzburg, Tirol und Vorarlberg, Triest, Gorz und Schlesien erhalten; die anderen 
Provinzen fielen aus und auch die Berichte, welche an mich gelangten, sind ihrem Inhalte 
nach so wenig einheitlich gefasst, dass sich daraus kein Gesammtbild gestalten lasst. 
lch hotTte eine übersichtliche Zusammenstellung der Schulen, der Schülerinnenzahl im 
Verhältnisse zur übrigen Bevölkerung jeder einzelnen Provinz, der weltlichen und geist- 
liehen Lehrkräfte, der verschiedenen Lehrziele, der Lehrzeit u. s. w. ausarbeiten zu können. 
Würde eine solche Zusammenstellung gewünscht, so Ware ich mit Vergnügen bereit, sie 
zu verfassen, vorausgesetzt, dass Ew. Excellenz mir gütigst die Mittel an die Hand gaben, 
die nach meiner Angabe gearbeiteten Behelfe zu verschaffen. 
Zur allgemeinen, oberliachlichen Orientirung mag dienen, dass in Oberösterreich 
an 29 öffentlichen Madchen- und Volksschulen der Unterricht in den weiblichen Hand- 
arbeiten eingeführt ist, in Krain an 3, in Karnthen an 44, in Tirol und Vorarlberg an 
circa 5oo, in Salzburg an 21, in Triest an 18, in Gorz an 22, in Schlesien an I6. 
ln Oberösterreich können, laut Bericht, die Bestimmungen des (j. 15 des 
Reichsvolksschulgesetzes vom 14. November 1869 nur allmalig zur Durchführung kommen. 
Der Mangel an tauglichen Lehrerinnen macht sich in bedauerlicher Weise geltend. Durch 
Errichtung der im Schuljahre t87t{7a gegründeten zweiclassigen Lehrerinnen-Bildungs- 
anstalt zu Linz soll diesem Uebelstande abgeholfen werden, der sich jedoch erst ganz 
beheben wird, wenn entsprechend dem Q. 3o des Gesetzes vom I4. Mai t869 ein beson- 
dereä Lehrcäxrs zur Ausbildung von Arbeitslehrerinnen an obiger Anstalt eingerichtet 
wer en wir . 
Bezüglich aller im Lande befindlichen öffentlichen Mttdchenschulen wird den ge- 
setzlichen Anordnungen entsprochen und überdies ist an 13 gemischten öffentlichen 
Schulen der Unterricht in den weiblichen Handarbeiten eingeführt. Derselbe konnte 
jedoch nur dort obligatorisch gemacht werden, wo Unterlehrerinnen in den betreffenden 
Volksschulen in Verwendung stehen, was bisher an 7 Anstalten der Fall ist, oder wo 
Arbeitslehrerinnen auf Grund nachgewiesener Lehrbefähigung durch den oberosterreichi- 
sehen Landesausschuss bestellt wurden, was bisher nur bei 8 Volksschulen geschah. 
I3 Privatlehrerinncn weltlichen Standes, welche die gesetzliche Lehrbefähigung nicht 
nachweisen können, sind an gemischten Schulen in Verwendung; einzelne dieser Leh-
	        
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