Die Art und Weise, wie die Marmorblöcke aus den beiden Brüchen
auf den Höhen herabgebracht werden, erinnern mich an die Schilderungen
des Marmorbetriebes zur Zeit des Michelangelo. Wie viel Mühe und
Verdruss hat diesem Künstler diese Angelegenheit gekostet; wie drastisch
drückte er sich in seinen Briefen aus! Er war ein wahrer Pfadfinder, der
erste, der in dem Labyrinthe der Marmorgebirge bei Carrara eine künst-
lerische Bahn zu brechen verstand.
Das Marrnorgebiet von Vintschgan erstreckt sich von Meran an,
vom Martell- und Laaser Thal bis zum Ortler. Was wir gesehen haben,
ist eine industrielle und zugleich eine künstlerische Arbeit, für architek-
tonische Bedürfnisse und für Aufträge künstlerischer Art. In Arbeit
fanden wir eine Pieta für ein Grabdenkmal in Frankfurt, einen grossen
Altar für Heidelberg, einen Altar für Ettlingen im Badner Oberland etc.;
eine grosse Büste aus Zumbusch's Atelier, ein Altar für Terlan ist die
einzige künstlerische Arbeit für Oesterreich! Die industrielle Arbeit für
Stiegen, Tische etc. ist reichlich vorhanden.
Die punktirten figuralen Arbeiten sind sämmtlich sehr genau, die
ornamentalen präcise ausgeführt. Was für uns Bedürfniss ist, ist vor
Allem die vorbereitende Arbeit für unsere Bildhauer zu organisiren, die
in grossen Städten zu theuer kommt und nur auf diese Weise möglich
gemacht wird-und in erster Linie ist es für Tirol wichtig, die Marmbr-
brüche in grösserem Style nutzbar zu machen, die einheimische Kunst-
industrie zu wecken und den Geist der Industrie zu heben. Aber es wird
lange Zeit brauchen, bis wir uns gewöhnt haben werden, für unsere
eigenen Bedürfnisse Sorge zu tragen. Die Italiener sind rührig, indu-
strieller und haben einen praktischen Patriotismus, den wir wenig pflegen.
Laas in Tirol, 30. August 1874. R. v. E.
Schloss Velthurns in Tirol.
(Zum Theil nach Miltheilungen des Hen-n Prof. Grissemann in Brixen aus dem
dortigen Archive.)
Das südwestlich von Brixen gelegene Schloss Velthurns (Feld-
thurns), dessen Innenräume in diesem Sommer von Schülern der Kunst-
gewerbeschule unter Leitung des Prof. Storck aufgenommen worden sind,
wurde von Johann Thomas v. Spaur im Jahre seiner Erhebung auf den
bischöflichen Stuhl von Brixen (1578) zu bauen begonnen. Pfleger des
Bischofs auf Velthurns war der fürstl. Rath und Kammermeister Georg
Leopold v. Schwarzenborn zu Hofstätt, an welchen sämmtliche Baurech-
nungen gerichtet sind. Als Baumeister erscheint Mathias Parlati, Bürger
und Maurermeister zu Brixen. Ob von ihm auch der Riss des Gebäudes
herrlihrt, ist leider nicht ersichtlich.
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