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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1874 / 109)

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Auch die böhmische Spitzenindustrie erfreut sich heute einer gleichen 
Blüthe, wie dies die grosse Zahl der auf der Wiener Weltausstellung ex- 
ponirten böhmischen Spitzen in reicher Abwechselung der Musterun- 
gen und der Technik bewies. Was ferner zur Hebung und Pflege der 
heimathlichen Spitzenmanufactur das Genie und die Thatkraft einzelner 
Fabrikanten zu leisten vermag, wurde uns einleuchtend, als wir erst vor 
wenigen Wochen in den Verkaufslocalen von Stramitzer d: Reuter, 
Sedelmeyer, Arnold in Wien jene reichhaltigen Lager der schönsten 
und vortrefilichsten Spitzen eingehend in Augenschein zu nehmen Gele- 
genheit hatten, die im Auftrage und nach den Mustervorlagen der eben- 
gedachten kunstsinnigen Industriellen von ausgezeichnet geübten Spitzen- 
macherinnen im böhmischen Erzgebirge in lohnender Concurrenz mit 
französischen und belgischen Erzeugnissen angefertigLwurden. Sicher- 
lich wird die sächsische und österreichische Spitzenindustrie noch einer 
schöneren Zukunft entgegengehen, wenn in der Folgezeit das gebildete 
Publicum den bleibenden Werth und die Gediegenheit kunstreich aus freier 
Hand gearbeiteter Spitzen besser würdigen und anerkennen wird. 
Am Schlusse dieser geschichtlichen Notizen über den Entwickelungs- 
gang, den die Spitzenfabrication vom XVl. bis zum XlX. Jahrhundert ge- 
nommen hat, dürfte es hier am Orte sein, noch einige allgemeinere An- 
deutungen über die Anlage und Eintheilung unserer Sammlung folgen zu 
lassen, deren einzelne Bestandtheile im folgenden Katalog eine kurze Be- 
schreibung gefunden haben. Ueberschaut man die Sammlungen der 
meisten, in neuester Zeit entstandenen Kunst- und Gewerbe-Museen, In- 
dustrie-Schulen etc., so stellt es sich alsbald heraus, dass man nicht ein- 
mal den Versuch gemacht hat, die grossartige und reichhaltige Industrie 
von Spitzen und Kanten in ihren vielgestaltigen Arten und Abarten so in 
eineriübersichtlich geordneten Sammlung dem Studium und der Nach- 
ahmung vorzuführen, wie man dies bereits bei andern industriellen Kunst- 
zweigen mit Erfolg begonnen hat. Man hat sich nämlich in den meisten 
Kunst- und Industrie-Museen darauf beschränkt, eine Anzahl von älteren 
Spitzen und Kanten in besonders reicher Musterung und delicater Tech- 
nik anzusammeln und aufzustellen, die in der Regel darauf berechnet 
sind, Elfect zu machen und namentlich die Bewunderung der grossen 
Damenwelt auf sich zu ziehen. Dass solche meist kostspielige Parade- 
stücke den theoretischen und praktischen Bestrebungen zur nachhaltigen 
Regenerirung der Spitzenindustrie in heutiger Zeit nur geringe Vortheile 
bieten, leuchtet ein. Sollen solche öffentliche Aufstellungen von Sammlungen 
älterer durchbrochener Weisszeugarbeiten dem praktischen Neuschaffen 
dauernde Vortheile zuführen, so müssen nicht nur allein die feineren und 
selteneren Spitzen aus der Blüthezeit der Fabrication in einzelnen Exem- 
plaren repräsentirt sein, sondern es muss bei solchen öffentlichen Samm- 
lungen besonders darauf Gewicht gelegt werden, dass sämmtliche genera 
und species dieser in früheren Jahrhunderten so sehr bevorzugten ln-
	        
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