ROBERT JOHN
Da: Hergogenburger Bild
Dornerikränung Christi
von Jörg Breu
Die Bildersammlung des niederösterreichi-
schen Augustiner-Chorherrensriftes Herzogen-
burg, zwischen St. Pölten und Krems gelegen,
enthältein spätgotisches Tafelbild (128 x 88 cm),
das in einer der bayerisch-österreichischen
Bauernmalerei verwandten Weise die Dornen-
krönung Christi darstellt. Es stammt von dem
Augsburger Maler Jörg Breu dem Älteren,
dessen Namensorthographie auch als Prew
oder in ähnlichen Formen auftaucht.
In der Mitte der Breitentafel sitzt, mit weit
auseinandertretendem rotem Spottmantel be-
kleidet, auf einer mit hoher Rückenlehne ver-
sehenen Steinbank, den zergeißelten Ober-
körper mit den Armen stark nach vorne ge-
stützt, das Haupt mit einer mächtigen Dornen-
krone umwunden, der Herr. Die Bank erhebt
sich auf einer einstufigen Estrade, die fast
den ganzen, mit zwei Fenstern versehenen
Raum einnimmt. Sie sind vergittert und lassen
bloß das sehr dunkle Blau des Himmels
sehen. Die offene Tür links gibt den Blick
auf einen nahegelegenen, mäßig hohen Rund-
turm frei, der den Eindruck eines Kerkers
macht. Dahinter wölbt sich ein baumbestan-
dener Hügel, der zum Teil von einem See
oder Fluß bespült wird und an dessen Ufern
sich im Hintergrund eine ansehnliche Stadt
ausbreitet, deren Gepräge durchaus deutsch
ist.
Vor dem linken Fenster hängt beiderseits je
ein kleiner Luster von der Decke herab, links
einer für Kerzen, von denen aber nur eine
einzige aufgesteckt ist und brennt, während
der auf der rechten Seite eigentlich eine zehn-
schnabelige Öllampe ist, deren Dochte ver-
mutlich alle angezündet sind. Die eigentliche
starke Lichtquelle liegt indes vorne und ist
unsichtbar.
Christi Haupt, das einen feinen Strahlenkranz
aussendet, wird außer von der muffartigen
Dornenkrone noch zusätzlich von einer Schar
roher Folterknechte mittels zweier langer,
ebenfalls dornenbesetzter Stangen mißhandelt,
die sich mitten auf der Krone kreuzen und
sie noch tiefer eindrücken und qualvoller
machen sollen. Einer der Schergen schlägt
mit einem umgewendeten Stuhl wie mit einem
Hammer auf die Dornenkrone und die Folter-
stabe ein.
Die Folterung wird von sechs Knechten vor-
genommen, zu denen sich aber noch eine
häßliche, zwergartige Gestalt gesellt, die sich
an der Marterung nicht unmittelbar beteiligt,
aber in höhnisch-unllätiger Weise dem Herrn
eine haßerfüllte Grimasse schneidet.
Das Gemälde war ursprünglich Bestandteil
eines spätgotischen Flügelaltares, der, sicher-
lich als Hochaltar, in der Kirche des Kar-
täuserklosters „Ad portam Sanctae Mariae"
in Aggsbach in der Wachau stand. Die Kirche
und das heute völlig ruinöse Kloster waren
1385 von Haderich von Maissau, dem An-
gehörigen eines der damals mächtigsten Ge-
schlechter von Niederösterreich, gegründet
worden. Die Besiedlung erfolgte von dem
älteren Kartäuserkloster Mauerbach (bei Wien)
aus. Nach rund 400 Jahren Hel die Kartause
mit Hunderten von anderen religiösen Ge-
meinschaften 1782 der Klösteraufhebung Kai-
ser Josefs II. zum Opfer. Der Bilderzyklus
der beiden Altarflügel stimmte mit dem der
Augsburger Basilikenkirche überein und zeigte
bei geöffneten Flügeln Maria bei Elisabeth,
Christi Geburt, die Heiligen Drei Könige und
die Beschneidung des Kindes; die Rückseite
wies, wenn in der Fastenzeit die Flügel ge-
schlossen waren, die Passionsbilder auf: Chri-
stus vor Kaiphas, unser Dornenkrönungsbild,
die Geißelung und die Kreuztragung.
Das Aggsbacher Tafelbild gelangte zuerst nach
der unweit gelegenen Kirche Maria-Langegg
und von dort 1816 nach dem Stift Herzogen-
burg.
Jörg Breu d. Ä. war Maler, Zeichner für
Glasmalerei und Holzschnitt, llluminist und
der Verfasser einer für seine eigene Kunst
wenig besagenden Chronik von Augsburg,
die von 1512-1536 reicht.
Er wurde ca. 1475 als Sohn eines Webers,
Georg Breu, wie man seit kurzem weiß, nicht
in Augsburg, sondern in Landshut geboren
und gehört, wie etwa auch Hans Eckl oder
Rueland Frueauf, zu jener Gruppe bayerischer
Künstler, die eben, als Wien künstlerisch zu
erlahmen begann, in den Donauraum vor-
stieß und hier Werke von höchster Bedeut-
samkeit schuf. Er hat höchstwahrscheinlich
in Krems bis zur Jahrhundertwende, längstens
bis 1502 ein Atelier für Altarwerke unter-
halten, aus welchem auch der Aggsbacher
Altar hervorgegangen sein muß, dessen Da-
tierung und Signierung feststeht. Sie ist nach
Augsburger Manier auf Mantelsäumen an-
gebracht, deren Hohlfalten sie zum Teil ver-
schwinden lassen, ohne ihre Eindeutigkeit zu
beeinträchtigen.
1502, vermutlich im Spätherbst, war der Maler
wieder in Augsburg, wo er noch im gleichen
Jahr die dortige „Malergerechtigkeit" erhielt,
die ihm die Führung einer selbständigen
XVerkstätt: erlaubte. Sein Bruder Klaus und
sein Sohn Jörg Breu d.J. waren ebenfalls
Maler, ohne aber den Ruhm ihres Bruders
und Vaters im entferntesten zu erreichen. Der
Herzogenburger Hof bibliothekar Georg Baum-
gartner hat in alten Klosterakten das wieder-
holte Auftauchen des Namens Breu im 15. und
16. Jahrhundert in der niederösterreichischen
Donaulandschaft festgestellt, so daß es nicht
allzu kühn ist, bei Jörg Breu an eine verwandt-
schaftliche Beziehung zu einer dieser Familien
zu denken.
Jörg Breu d. Ä. hat 1510 geheiratet und 1514
eine beinahe von allen nordischen Künstlern
als Pflicht empfundene Reise nach Italien
angetreten. Sein Stil änderte sich merklich,
als er sich 1520 der Bewegung Luthers an-
geschlossen hatte. Fortan hielt er sich nur
noch an weltliche Motive. In seiner Chronik
erklärte er sich in einer geradezu bilder-
stürmerischen Weise mit der Vernichtung
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