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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1874 / 111)

gothischen Periode an Stelle der Klostermbnche bereits zahlreiche bürgerliche Künstler- 
individualitaten namentlich auftauchen. Die Salzburger Kunstübung aus dem Beginne 
des I5. Jahrhunderts bewahrt ihre Hcldseligkeit und innige Gefühlswärme gegenüber dem 
herberen Nürnberger Naturalismus, aber dem gleichzeitigen Eindringen der van Eyck'schen 
Schule vom Norden und der italienischen vom Süden vermochte sie nicht zu widerstehen 
und um 1530 war sie in dieser doppelseitigen Umarmung erstickt. - Günstiger gestaltet 
sich das Verhaltniss in Tirol, das von jeher zahlreiche, mehr oder minder bedeutende 
Vertreter aller Kunstübung hervorgebracht hat. An Stelle der fehlenden Miniaturen, er- 
klarlich durch den Abgang grosser Stiftsscbulen, sind zahllose Wande der Kirchen mit 
Heiligen und die Säle der Ritterburgen mit Darstellungen aus der Minne- und Heldenzeit 
geziert gewesen, die ganze Stylentwicklung vom Romanischen durch die Gothik bis zum 
Zauber der italienischen Renaissance durchlaufend. Die glanzendsten Zeugnisse für die 
kirchliche Richtung sind in dem herrlichen Kreuzgange zu Brixen, sozusagen einem 
deutschen Campo Santo, für die weltliche in den Fresken auf Schloss Runkelstein 
erhalten. Beide Denkmäler bilden die würdige Stufe für den grossten österreichischen 
Künstler des Mittelalters, den Michael Pacher aus Brunecken im Pusterthal, den seine 
bekannten Meisterschöpftingen den besten Schülern der van Eyck an die Seite, mit seiner 
treiflichen Perspective oft sogar über sie stellen, Aber trotz dieser Hohe ging auch die 
heimische Tiroler Kunst vor dem allzu gewaltigen Strome aus der Fremde bald zu Ende. 
Herr Custos Dr. llg setzte am 19. November seine Betrachtung der osterreichi- 
schen Malerei vor der Renaissance fort, zunächst mit der Besprechung der Kunstdenkmale 
in Kärnten. Er wies vor Allem auf die Fresken in der Vorhalle und im Chore des 
Gurker Domes hin, welche, dem Zeitraume vom zwölften bis zum vierzehnten Jahr- 
hundert entstammend, durch Styl und gedankenreiche Wahl des Gegenstandes zu den 
bedeutendsten Schöpfungen der Kunst überhaupt gehören. Der um m55 vorkommende 
Heinricus pictor de Gurk mit seinem Schüler Dietrich und anderen zeugt für das Vor- 
handensein einer förmlichen Malerschule, deren Blüthezeit wohl nicht das vierzehnte Jahr- 
hundert überdauert, die aber, wie z. B. zu Piesweg und auf der Frisacher Veste, bis in 
das Zeitalter der Renaissance hinein uns achtungswerthe Proben ihrer Tüchtigkeit hinter- 
lassen hat. 
Auch in Ober- und Niederösterreich zeigt sich eine sehr frühe Kunstübung, 
wie in dem Lauthause zu Lambach mit directer Nachbildung der Katakombenmalerei, die 
durch Miniaturbilder in die grosse Kunst hinübergeleitet und bis in's zwolfte Jahrhundert 
festgehalten wird. In der That waren die grossen Stifte St. Peter, Heiligenkreuz, 
Gottweih, Zwettl eben so viele Schulen für Miniaturmalerei. 
Der Reichthum der Kloster und der Kunstsinn der österreichischen Fürsten erklärt 
die grosse Zahl der Künstler und bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurden die 
Satzungen der Malergilde in Wien festgestellt. Dabei war die Glasmalerei kaum geringer 
als jene auf Wand und Tafel; sie begann mit den Grisaille-Arbeiten in Riemen- und 
Bandverzierungen der Fenster in Heiligenkreuz, bis die heitere Freude an bunterem 
Farbenspiel Werke schuf, wie wir sie noch jetzt in den erhaltenen Fenstern des Stephans- 
Dornes bewundern. Dr. llg besprach dann, auf die Gemalde des Verduner_ Altars hin- 
weisend, das Herübergreifen des giottesken Einßusses über die Alpen und dessen Ringen 
mit dern darauf folgenden kolnischen und Eyck'schen Schulcharakter, der in den beiden 
Sammlungen von Klosterneuburg und im Belvedere am besten illustrirt wird durch die 
beiden Meister R. F. und durch Wolfgang Rueland, der nach Pacher als der bedeutendste 
österreichische Künstler zu bezeichnen ist, Doch konnten unsere. Künstler die überkom- 
mene fremde Weise nicht dem Sinne und geistigen Bedürfnisse ihrer Heimat assimiliren, 
um so weniger, als seit Kaiser Maximilian die Vorliebe für die welsche Art; in den 
höheren Geßellschlftsltreiscn immer mehr durchdrang. 
Auch in den deutsch-ungarischen Gebieten der Zips, in Donnersmarlk, Georgen- 
berg, Kaschau und Leutschau, nicht minder in der Eisenburger Gespanschaft an der stei- 
rischen Grenze, ja selbst in den sächsischen Gegenden Siebenbürgens treten dieselben 
hoffnungsvollen Kundgebungen reicher Begabung zu Tage, so lange die Greuel der Türken- 
kriege nicht die erblühende Kunst im Keime erstickten. So ist doch nach alledem das 
Endurtheil über die österreichische Kunst kein niederdrückendes. Wir können uns der 
noch vorhandenen Denkmale als eben so vieler Zeugnisse tüchtigen künstlerischen Schaf- 
fens, so treßlich als irgendwo in anderen Landen, erfreuen, und sie verehren als Ausdruck 
der schlicht-treuherzigen, biederen Gesinnung unserer Väter. 
 
H iequ eine Beilage.
	        
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