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Volltext: Katalog der Wiener-Congress-Ausstellung 1896

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doch muss man zugestehen, dass das rein Technische dieser Ar 
beiten von einer Tüchtigkeit und Solidität, und ihr Eindruck daher 
ein wenn auch pedantischer, so doch ein so gediegener ist, dass 
wir in unserer so vielgerühmten Gegenwart oft nur mit Wehmuth 
unsere Blicke zum Anfänge des Jahrhunderts zurückwenden. Und 
es hat, vor Allem in Oesterreich, ein Gebiet kunstgewerblicher 
Production gegeben, auf welchem gerade in jener Epoche und in 
jenem oft unverdient geschmähten Empirestil unübertreffliche, 
noch heute hochgeschätzte und unaufhörlich nachgeahmte Arbeiten 
geschaffen worden sind, das Porzellan. 
Die Blüthezeit der k. k. Wiener Porzellanfabrik unter der 
Leitung Sorgenthal’s (1784 bis 1805) und Niedermayr’s (1805 bis 
1827) fällt in die hier besprochene Epoche. 
Unter Sorgenthal nimmt die Fabrik in künstlerischer und 
commerzieller Hinsicht hohen Aufschwung. Er bringt den Per 
sonalstand von 280 auf 500, er beschäftigt allein 130 Maler. Er 
gründet im Jahre 1800 in Engelhardtzell bei Passau eine Filiale 
für die Erzeugung ordinären Geschirres, er weist der Wiener 
Fabrik ausschliesslich künstlerische Aufgaben zu. Die Fabrik 
selbst wird zur Kunstschule; die älteren Mitarbeiter unterrichten 
die jüngeren, eine Verbindung mit der Akademie der bildenden 
Künste wird organisirt, die malerische Thätigkeit der Fabrik in 
vier Classen, in einer für Historienmalerei, einer für Landschaft, 
einer für Blumenmalerei, einer für Ornamentik, betrieben, zu 
denen noch eine eigene Classe für Vergolderarbeit kommt. Mit 
sicherem, immer auf das Höchste gerichtetem Blicke erzieht 
Sorgenthal auf diese Weise eine Schaar tüchtiger Maler, welche 
der hohen Kunst wie der Kunstindustrie zur Ehre gereichen. 
Die Historienmaler Schaller, Michael Weichselbaum, Herr, Lam- 
precht, Schwemminger; die Landschafter Johann Weichselbaum - 
Scheidl, Petter; die Blumenmaler Parmann, Hinterberger, Hirschler; 
«die Ornamentisten Schindler, Gärtner, Perl, Bittner, Kothgasser, 
die Brüder Sturm, Friedl und Reichel gehen aus dieser Schule 
hervor, ebenso Daffinger, welcher, 1801 eingetreten, bereits 1804 
einen ersten Preis erringt. Nicht minder tragen die Modelleure 
und Arcanisten zum Ruhme des Wiener Porzellans bei, voran 
Grassi, Leithner und der „Malereibeamte“ Georg Perl. Grassi ver 
drängt das Rococo durch antikisirende Formen, die sich allmälig 
den Vorbildern antiker Vasen nähern, im Figuralen ist er und
	            		
29 erreicht. Leithner erfindet das charakteristische Braunroth und Kobaltblau, Perl das Reliefgold. Die alte Vorliebe für malerischen Schmuck der Gefässe bleibt, aber man wählt dem Zeitgeiste ent sprechende Motive. Auch das Ornament verändert sich; ihm wird die grösste Sorgfalt zugewendet, die regelmässige Linie tritt an die Stelle der willkürlich geschwungenen. Vielfach dringen pompejanische Motive ein. Auch die selbständige Porzellan plastik geht neue Wege. Das Rococo hatte seine Plastik glasirt, bemalt; der neue Stil, der das Ernste und Würdige sucht und an Stelle der Schäfer und Schäferinnen und Götter nun Grazien und Nymphen setzt und auch die Portraitkunst pflegt, ahmt den Marmor nach und schafft das farblose, unglasirte Por zellan, das Biscuit. In hervorragender Weise schafft die Bronze-Industrie der Zeit, sowohl in selbständigen Leistungen, als in Verbindung der Bronze mit Geräthen. Die antikisirende Richtung der Zeit prägt sich vor Allem auch hier in der figuralen Plastik aus; die antike Mythologie, das weite Gebiet der allegorischen Darstellung, nimmt einen grossen Raum ein; die classische Bildung der Zeit, ihr ostentativer Ge dankenreichthum tritt hiermit am deutlichsten zu Tage. Aber auch die Romantik, die auf die deutsche Vorzeit und Sage zurückgeht, tritt in einzelnen charakteristischen Beispielen frühzeitig hervor. Erstaunlich ist die technische Vollendung aller dieser Arbeiten, ihre treffliche Vergoldung, ihre durch die Verbindung von Gold bronze und dunkler Patinirung erzielte farbige Wirkung, die aus gezeichnete Durchbildung der Formen. Obenan stehen natürlich die französischen Arbeiten, voran jene des Meisters Thomire; aber auch die Wiener Gürtler und Uhrmacher leisten Vorzügliches, so Hartmann, Flasge und Andere. Auch Goldschmiedekunst und Email, Schmuck und Tafel- geräthe, Dosen, vornehmlich aber die Miniatur steht in dieser Epoche auf einer Höhe des Könnens, welche bisher noch nicht wieder erreicht wurde. Die Auswahl der noch vorhandenen Möbel ist nicht über reich, da im Laufe des Jahrhunderts viel vernichtet oder ver schleudert wurde, doch sind die charakteristischesten Typen der Zeit in zum Theil mustergiltigen Exemplaren noch erhalten und sie werden nun mit Eifer gesammelt.
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