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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1877 / 143)

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dem Zeichenunterrichte die Aufgabe zuschreibt, eine sogenannte technische - manuelle - 
Fertigkeit zu erzielen. Selbstverständlich muss die Erreichung dieser Fertigkeit angestrebt 
werden, aber sie ist untergeordnet. Viel wichtiger sind die allgemeinen formalen Zwecke 
und die Belehrung über Schönheit, Geschmack, Styl, Ornamentik, Farbenlehre u. s. w., 
so dass der von uns angestrebte Zeichenunterricht ohne geordnete wissenschaftliche Vor- 
träge gar nicht denkbar ist. 
Für den Zeichenunterricht ist demnach für alle gleichwerthigen Schulen ein be- 
stimmt inne zu haltender Lehrplan mit genau abgegrenzten Classenpensen auszuarbeiten 
und muss jeder Schüler ohne Ausnahme den Anforderungen seiner Classe genügen. Soi 
lange dies nicht der Fall ist. kann unmöglich ein geordneter Classen- (Massem) Unterricht 
eingeführt werden; der Zeichenunterricht aber als Einzelunterricht ist unbedingt zu ver- 
werfen und könnte nur bei einem facultativen Unterrichte zugelassen werden. 
Wir bemerken hierzu noch, dass z. B. in Elsass-Lothringen das Zeichnen ein Ge- 
genstand der Abiturientenprüfung ist. 
Ad 3g. 
Rechtsverhaltnisse der Zeichenlehrer. 
Gehen die hohen Unterrichtsbehbrden auf unsere hier geäusserten Wünsche und 
Anforderungen in Betreff des Zeichenunterrichtes und der wissenschaftlichen und fach- 
lichen Ausbildung der Zeichenlehrer ein, so ist es wohl nicht mehr als billig, dass für 
einen derartig allseitig ausgebildeten Zeichenlehrer eine Stellung, vollkommen gleich- 
berechtigt mit den anderen wissenschaftlichen Lehrern gefordert werde: gleicher Rang. 
gleiches Einkommen, gleiche Rechte und PHichten. _ 
Diese neue amtliche Stellung würde ohne Zweifel wiederum eine tief eingreifende 
Wirkung auf den Unterricht selbst ausüben. 
Es wurde nun noch die schwerwiegende Frage aufgeworfen werden müssen: ob 
sich bei den gesteigerten Ansprüchen trotz der Aussicht auf angemessenere und im Ein- 
kommen verbesserte und gesicherte Stellung eine hinreichende Anzahl von jungen Leuten 
diesem Studium widmen wurden. - Wir sehen das Gegentheil voraus; aber wir halten 
dies für nichts Aussergewohnliches. Als vor fünfzig und einigen Jahren das Gewerbe- 
institut in Berlin gegründet wurde, war es nur dadurch möglich, junge Leute zu dem 
Studium der damals verkannten technischen WVissenschaften zu bewegen, dass Stipendien 
in der Hohe von 300 Thalern - mit Rücksicht auf die Preisverhältnisse von damals und 
jetzt einem ungefähren Werth von t5oo bis 1600 Mark gleichbedeutend - fast allen 
Zöglingen bei vollständig freiem Unterrichte gewährt wurden. Und wie ist es jetzt? Die 
Gewerbe-Akademie ist trotz der ausserordentlich strengen Anforderungen, des vierjah- 
rigen Cursus, der sehr hohen Unterrichtshonorare und einer sehr geringen Anzahl von 
höchstens 600 Mark betragenden Stipendien überfüllt, so dass an einzelnen Vortragen und 
Uebungen über zoo Studirende theilnehmen. 
Man gebe anfangs jedem Studirenden - nach Absolvirung einer Vorprüfung - 
ein Stipendium von jahrlich 600 Mark bei freiem Unterricht, und wir haben die Ueber- 
zeugung, dass sich auch die genügende Anzahl Candidaten finden wird, 
Nach unserer ungefähren Schätzung wurde der preussische Staat beispielsweise 
einen jährlichen Bedarf von aller-höchstens 15 Zeichenlehrem haben. Legen wir diese Zahl 
zu Grunde, so würden 15 )( 3 : 45 Studirende ein Zeichenlehrer-Seminar besuchen und 
der Stipendienfond eine Summe von 600 X 45 : 17000 Mark in Anspruch nehmen. 
eine Summe, welche mit Rücksicht auf die zu erzielenden Erfolge als sehr unbedeutend 
angesehen werden muss. Es wurde aber dann auch bald die Zeit kommen, in welcher 
eine Beschränkung des __Slipendienf0ndS ohne Gefahr stattfinden kann.
	        
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