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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1877 / 143)

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"Die Sache ist folgende: Es ist nicht alles damit gethan, dass auf ein 
Bild reichliches Licht falle, ohne für den Beschauer Spiegelung hervorzu- 
rufen; es kommt darauf an, wie das Licht einfällt und wie es zum Auge 
des Beschauers zurückgeworfen wird. 
Es ist den Fabrikanten bekannt, dass Teppiche und Gobelins, hoch 
' an den Wänden angebracht, sich im Oberlicht nicht zu ihrem Vortheile 
zeigen. Das rührt theils von einer Menge sehr kleiner oberflächlicher 
Spiegellichter her, die sich an den Fäden bilden und für den Beschauer 
in einem grauen, die Farben beeinträchtigenden Ton zusammenüiessen, 
theils daher, dass an den zahlreichen Hervorragungen überall die obere 
Seite beleuchtet ist, während der Beschauer von unten hinauf, also von 
jedem einzelnen beleuchteten Theilchen die Schattenseite sieht. Das letztere 
findet nun auch bei den Oelgemälden statt, sobald sie in Oberlicht über 
' dem Horizonte des Beschauers aufgehängt sind. 
Durch den Firniss ist zwar die Oberfläche des Bildes mehr oder 
weniger vollständig geglättet, aber unter ihm liegen die Farben in rauher, 
feinkörniger Masse, und jedes dieser Körnchen hat im Oberlicht eine 
obere Lichtseite und eine untere Schattenseite dem Beschauer zugewendet 
oder vorzugsweise zugewendet, so muss ihm natürlich die Farbe dunkler 
und weniger intensiv erscheinen; das Bild bekommt dadurch bei scheinbar 
heller Beleuchtung ein düsteres, stumpfes Ansehen. Ja, noch mehr, wo 
sogenannte feste Farben mit körnigem Körper unter Lasuren liegen, wirken 
sie weniger intensiv durch dieselben hindurch, es kommt weniger farbiges 
Licht von ihnen zurück, und da die Lasuren selbst keine oder kaum 
merkliche Mengen von Licht rellectiren und ihre ganze Helligkeit der 
darunterliegenden festen Farbe verdanken, so erscheinen auch sie dunkel. 
So geschieht es, dass bei stark und dunkel lasirten Bildern und bei solchen, 
welche die Zeit dunkler gemacht hat, als sie ursprünglich waren, im 
Oberlicht oft da nur eine schwärzliche Masse erscheint, wo im guten 
Seitenlichte noch ein grosser Reichthum an Farben, und mit ihm darge- 
stellte Gegenstände zum Vorschein kommen, die man früher gänzlich 
übersehen hatte. Welchen Vortheil bietet hier das Seitenlicht? Es bietet 
den Vortheil, dass man sich so stellen kann, dass man vorzugsweise auf 
die-beleuchteten Abdachungen der Rauhigkeiten der Farbenmasse sieht. 
Man hängt oder stellt das Bild so, dass seine Fläche mit der Ebene des 
Fensters keinen rechten, sondern einen mässig spitzen, gegen den Beschauer 
zu oEenen Winkel macht, und stellt sich dann nicht ganz gerade vor die 
Mitte des Bildes , sondern verschiebt seinen Standpunkt etwas nach dem 
Fenster hin. Da das gespiegelte Licht unter demselben Winkel zurückge- 
worfen wird, unter dem es einfällt, ist man so vor jeder Spiegelung 
gesichert und sieht zugleich vorzugsweise auf dieselben Abdachungen der 
Rauhigkeiten in der Farbenmasse, welche vom Fenster her, also mit dem 
stärksten, dem directen Lichte, beleuchtet werden. Schon Leonardo da 
Vinci kannte die Vortheile dieses Standpunktes und hat sie im Cap. 280
	        
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