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in Sachsen wohlverdiente Anerkennung, während ein Speiseservice der
Meissener Porcellanfabrik kein Moment des Fortschritts erkennen liess. Auch
die sächsische Teppichfabrication erschien diesmal in keinem neuen Lichte.
Die süddeutschen Staaten waren nur sehr dürftig vertreten. Insbe-
sondere musste man die Theilnahmslosigkeit der Münchener Kunstindustrie
beklagen, welche im vergangenen Jahre namentlich mit ihren Goldarbeiten
und Möbeln Aufsehen erregt hatte, in Amsterdam aber als Hauptstück
nur einen Schlitten aufzuweisen hatte, allerdings ein charakteristisches
Beispiel jener phantastischen Rococo-Romantik, welche dort hohe Gunst
geniesst. So wohl bekannt ist, dass die Kunstgewerbeschule dort selbst den
Extravaganzen, dessen Herd der Münchener Kunstgewerbeverein zu sein
scheint, kräftig entgegen arbeitet, war doch auf der Ausstellung ihr Wirken
nicht zur Anschauung gebracht; und die Nürnberger Anstalt ist soeben
in einer Umgestaltung begriffen.
Aus dem Elsass war die Industrie des Stolfdruckes mit den Einsen-
dungen einer Firma in Mühlhansen erschienen. Dieselben repräsentirten
ein grosses für die verschiedensten Geschmacksrichtungen arbeitendes Ge-
schäft, und wir sahen neben dem buntesten Blumenunwesen auf Möbel-
stoifen die vorzüglichen Proben der Nachbildung altitalienischer und orien-
talischer Muster, welche der vollen Beachtung unserer Industrie werth wären.
Dass Holland selbst auf diesem Völkercongresse keine glänzende
Rolle spielen werde, darüber waren die Einsichtigen des Landes im voraus
mit sich im Reinen gewesen. Sie haben ja eben diese Ausstellung veran-
staltet, um ihren Landsleuten unwiderleglich die Nothwendigkeit der Urn-
kehr zu demonstriren. Das Wort Umkehr ist gerade in diesem Falle
bestens am Platze. Denn in denjenigen Industriezweigen, für welche in
Holland die natürlichen Bedingungen vorhanden sind, haben das sech-
zehnte und das siebzehnte Jahrhundert das absolut Mustergiltige geschaffen,
und kann das noch vielfach Vorhandene aus jenen Zeiten den Epigonen
zeigen, was ein nationaler Styl ist. Und die Führer der mit der dies-
jährigen Ausstellung ins Leben gerufenen Bewegung wollen auch mit vollem
Bewusstsein nur die Wiederaufnahme der in der Bodenproduction des
Landes und den Bedürfnissen der Bevölkerung begründeten Kunstindustrie
und das Wiederanknüpfen an die Blüthezeit. In dem Gefühle der An-
fängerschaft hatte sich die neue Delfter Keramik noch gar nicht an der
Concurrenz betheiligt, während die Möbeltischlerei in mehreren stylvollen
ganz getäfelten Zimmern eine höchst anerkennenswerthe Leistungsfähigkeit
bekundete und die Teppichfabrication von Deventer, welche 1873 noch
tief im Naturalismus stack, durch sehr energisches Streben in besserer
Richtung überraschte. Dagegen hatten die grossen Silberwarenfabriken in
Amsterdam, Voorschoten u. s. w. wieder ihre wüsten, barocken Tafelauf-
sätze, Pocale u. dgl. gebracht, deren Genre von früheren Ausstellungen
her nur zu wohl bekannt ist, und welche diesmal in einem Traubenbecher
mit so vielen Ranken und Zacken, dass der ihn präsentirende Aussteller
selbst ihn kaum anzufassen vermochte, ihre Krone fanden.