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verlieren. Die gleiche Beziehung erhalten jene Thierbilder, auch wohl
einzelne Pflanzen und Gesteine. In solcher Zusammenstellung - allemal
ein Bild aus dem neuen Testament mit einem oder zwei aus dem alten
Testament und einer Darstellung aus dem Thierphysiologus - entstehen
nun Reihen von Bildern, die, zu einem ganzen Werke vereinigt, die Biblia
pauperum, die Bibel der Armen, bilden. Sie sollte die Armen, die nicht
schreiben und lesen konnten, gewissermaßen durch einen Anschauungs-
unterricht belehren, daher der Name. Es ist nun wohl möglich, dass die
Bedeutung dieser Bilderkreise dem armen Volke von damals mit Hilfe
erläuternder Predigten geläuüg war, obwohl einiger Zweifel erlaubt ist,
da die Bedeutung damals schon eine schwankende war, ein und dasselbe
Bild Verschiedenes, ja Entgegengesetztes vorstellen konnte, wie z. B.
David den Erlöser bedeutete, aber auch den Teufel. Für die heutige
Gegenwart hat die Typologie alle Bedeutung verloren, da sie, außer einer
sehr kleinen Zahl von Gelehrten, von niemand verstanden wird.
Im Mittelalter, im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert, ist die
Typologie in einer ziemlichen Zahl reich geschmückter Manuscripte und
später in den sogenannten Blockbüchern niedergelegt. Für die Ausmalung
der Kirchenwände scheint sie weniger Bedeutung gehabt zu haben, soweit
wir aus den erhaltenen Ueberresten zu schließen vermögen. Diese nahmen
direct die Gegenstände der Bibel zum Vorwurf, oder die Legenden der
Heiligen, insbesondere aber jener Heiligen, welchen die Kirche gewidmet war.
Erhalten ist nun freilich aus romanischer Zeit von kirchlicher Wand-
malerei nordwärts der Alpen äußerst wenig, mehr allerdings aus der
Uebergangsepoche und der früheren gothischen Zeit. Vom Standpunkt
der Kunst betrachtet, lässt das viel zu wünschen übrig. Die Maler, wenn
auch sich befreiend von kirchlichen Vorschriften und nicht gebunden wie
die Byzantiner, hatten kaum angefangen, sich die Natur anzusehen. Es
kam ihnen auch nicht darauf an, die Dinge und Menschen so darzu-
stellen, wie sie wirklich sind; die Bedeutung, das, was die Malereien
vurstellten, war die Hauptsache. Das Nackte wurde nicht studirt und
konnte daher nicht dargestellt werden; und schwach und oberflächlich
wie die Körperzeichnung war auch die des Ausdruckes, höchst kümmer-
lich die Wiedergabe der inneren Empfindung.
Dennoch haben die Malereien dieser Epoche des dreizehnten und
vierzehnten Jahrhunderts viel Anziehendes, ja manches Schöne. Die Ge-
stalten sind schmiegsam, die Bewegungen der Arme, der Hände, des
Kopfes, wenn auch zuweilen unbeholfen, doch anmuthig, sanft, mit einer
Hinneigung zu leiser Sentimentalität, wie es der Epoche des minnig-
lichen Frauencultus entsprechend erscheint. Es liegt etwas Weibliches
in der Ausdrucksweise dieser Kunstepoche. Die Zeichnung der Falten,
denen die lange, Hießende, natürlich gebildete Kleidung mit dem feinen
Wollstoff zu Hilfe kommt, ist schön, edel in langen, sanft geschwungenen
Linien ohne Härte und Eckigkeit.