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sich die großen Meister des fünfzehnten Jahrhunderts mit herangebildet,
ein Donatello hatte an ihnen gelernt dem Marmor und dem Erze das
Spiel des wirklichen Lebens zu verleihen, aber er und seine großen
Zeitgenossen waren Realisten geblieben, voll und ganz ihrer Zeit, ihrem
Lande, ihrer Stadt angehörend. Ghirlandajo, der nächste zu der idealen
Zeit, war noch ganz ein Meister jener realen Richtung gewesen, die ich
geschildert habe. Das wurde nun anders mit dem neuen Heidenthum.
Dieser reale Stil, welcher die eigene Menschlichkeit. die eigene Um-
gebung in die zeitlich und räumlich fernen kirchlichen Gegenstände
hineingetragen hatte, machte dem antiken Platz. Das italienische oder
Florentiner Costüm wich dem der Griechen und Römer, das nun gewisser-
maßen als zeitlos, als keiner Zeit, keinem Volke angehörig galt; es
wurde -- und Geräth und Architektur sind mitgerechnet -- wie das
allgemeine Costüm der Kunst. Und mit dem Costüm der Zeit gingen
auch die Menschen der Zeit verloren; an die Stelle der Porträts, der
Florentiner Menschen vornehmen oder geringen Standes, traten ideale
Geschöpfe, Charaktertypen, die keinem besonderen Volke angehörten.
Und so geschah es mit den Körpergestalten, denen nach den Idealen der
antiken Sculpturen Vollendung gegeben wurde. - Das sind nur einzelne
Züge, welche die Umwandlung andeuten sollen. Die Kunst, welche au
dem Wege des Naturstudiums und der Darstellung des realen Lebens
die höchste Stufe erreicht hatte, löste sich von diesem Leben und hatte
nun ihre eigene Sprache, ihre eigenen Ziele, ihr eigenes Leben.
Für die Kirche und die Kirchenmalerei ging daraus nun ohne
Frage ein großer Nachtbeil hervor. Bisher hatte die Kirche im Mittel-
punkte der Kunst gestanden; sie war ihr Ein und Alles gewesen; es
hatte für die Kunst kaum andere Aufgaben neben den ihrigen gegeben.
Nun bildete sie nur die eine Quelle der Gegenstände und der Aufgaben,
die Weltlichkeit die andere, mindestens eben so starke. Zwar erhielt sie
für ihre Heiligen idealere Gestalten, aber, wenn man von den Leistungen
einiger wenigen großen Meister absieht, und bei diesen ist es kaum
nöthig - so büßte sie dafür durch den wachsenden Mangel einer tiefen
religiösen Ernpündung, für welche äußere Schönheit entschädigen musste.
Auf diesem Standpunkte steht bereits Rafael der Kirche gegenüber.
Er hat ihr die schönsten und idealsten Gestalten geschaEen, welche
jemals ein Künstler hat erfinden können, und so hat er wahrhaft zu
ihrer Ehre gearbeitet, aber in dem Ausdruck einer tiefinnersten religiösen
Empfindung hat er schwerlich das Höchste geleistet. Er wollte es auch
kaum; er war zu sehr im Studium der Antike gebildet, zu sehr durch-
drungen vom Geist des classischen Alterthums, um nicht in der Kunst
selber, in der Darstellung der vollkommensten Schönheit das höchste
Ziel zu sehen. Und wenn dies das Ziel ist, wie wohl kaum geleugnet
werden kann, wenn man die Kunstals frei und nicht als dienstbar
betrachtet, so hat Rafael das Ziel erreicht und den Weg der Kunst