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wir sind freilich nicht vollig mit ihm einverstanden. Denn allerdings finden wir Elemente
der Filigrantechnik (die in Spiralen zu Blüthen oder zu Fruchtiorm gedrehten Drähte, die
mitten aus der Farbmasse herausragen) in dem von ihm nDrahtemaile genannten
Erzeugnisse. Auch glauben wir kaum, dass das Bucher'sche Werk blos das ungarische
Filigranemail des X7. Jahrhunderts gemeint, sondern, dass es das Drahtemail HampeFs
im Auge habe. Acceptiren wir, freilich nicht ohne Widerspruch, den Namen Draht-
email um doch eine Ordnung in die verschiedenen Techniken hineinzutragen, und da-
durch den Gedanken an die äußerliche Combination von Email mit Filigran bei unseren
fraglichen Werken nicht aufkommen zu lassen.
So hat man ja auch in anderen WiSSCnSZWCigCn Namen erfunden, welche nicht in
allen Beziehungen auf die Objecte passen, aber nichtsdestoweniger Nutzen brachten.
Wir setzen voraus, dass unsere Leser alle den Klosterneuburger Kelch aus dem
15. Jahrhundert kennen, dessen Email in ganz besonderer Weise, und mit so ganz auf-
fälligen Farben zwischen gekerbten Drahtfaden eingegossen ist, und der auf allen unseren
Ausstellungen immer wieder gezeigt, und in allen Handbüchern, die auf mittelalterliche
Goldschmiederzeugnisse zu reden kommen, erwähnt, wenn nicht auch abgebildet wird.
Solche Kelche hat Hampel 63 aufgefunden. lch kann die Zahl vermehren. Die großartige
Sammlung Rothschild hat drei solche Kelche, die Pfarre Knittelfeld hat (oder hatte?
denn es heißt, dass der Kelch verkauft worden sein soll) einen ähnlichen. Dann aber
hören wir, dass auch noch weiter in Westeuropa solche Kelche in ziemlicher Anzahl vor-
handen sein sollen. Was aber nun den Klosterneuburger Kelch anbelangt, so ist leider
derselbe vor etwa zwölf Jahren durch die Firma Brix und Anders restaurirt und mit
neuem Email versehen worden; aber man hat die Farben möglichst getreu nach dem
ehemaligen (idealen) Befunde hergestellt. lch sage ideal, denn die Farben zwischen den
Drähten waren ganz un d ga r erblindet, trübe geworden, nur eine unbestimmte schmierige
Masse saß in den Cloisons. Das war sicher (wie auch dem Schatzmeister dieses Stiftes
aufhel) keine Glasmasse , die im scharfen Feuer zu schmelzen kam , denn die
schlechsten aller wirklichen Emaillen haben eine solche beinahe absolute Trübung nicht
erfahren. lch selbst besitze ein wohl aus Dalmatien stammendes Ciborium, dessen Email,
(translucid) an der Oberfläche sehr verwittert ist, aber noch immer ist es als Glas
genugsam erkennbar und schimmert zum Beispiel im Grün der gravirte Silbergrund
deutlich genug durch. Nicht so war es am alten Klosterneuburger Kelche. Nicht so ist
es am Kelche des Baron Nath. Rothschild, welcher deutlich erkennen lasst, dass eine
gefärbte, nun trüb gewordene Harzmasse in die Cloisons gebracht und vielleicht bei
sehr schwachem Feuer eingeschmolzen worden ist. So hat schon der verstorbene Professor
Haas die Emaillen des Knittelfelder Kelches als eingegossenes Harz erkannt. Ja er hat
die Probe für diese Beobachtung darin gehabt, dass ausgebrochene Stückchen solcher
Kelche einfach verbrennbar waren.
Was wird aber Herr Hampel sagen, wenn er hort, dass der ganze sicher mit
Harzmasse emaillirte Kelch von Knittelfeld die Inschrift hat: Calix Dei Johannis Benedicti
de Wratislavia, und dass der fragliche Kelch des Baron Rothschild eine Inschrift tragt,
die ihn nach Breslau verlegt.
Die beiden anderen Kelche der Rothschild'schen Sammlung haben nicht das Harz-
email, sondern ein sehr strengtlüsaiges wirkliches Glasemail. Daraus folgt aber, dass die
sammtlichen Kelche mit Drahtemail noch einmal daraufhin zu untersuchen seien, ob
sie der einen oder anderen Classe angehören. Aber es ist auch auffallend, dass in allen
diesen Kelchen so eigenthümliche Farben erscheinen, wie sie in den alteren mittelalter-
lichen Emailwerken sich nirgends finden. Wir meinen das Rosa, gewisse Nuancen des
Grün u. s. w. Weist das eingeschmolzene (oder kalt eingegossene i) Harz auf die Lack-
technik der Perser, so scheinen auch die Farbentbne auf diese Heimat der beiden
Techniken hinzuweisen."
Vergleicht man endlich, dass die Farben des wirklichen nungarischenc Emails so
pastos hoch aufgesetzt sind, wie es manche unserer Oelmaler mit ihren greifbar hoch
aufgesetzten Farben thun, so sieht man, dass sich ein vollständiger Bruch mit
der mittelalterlichen Tec hnik vollzogen hat, welche zur Vollendung der Emaillen
das Glatten und Abschleifen derselben rechnete (man vergleiche den Theophilus). Das
nächste Gefäß, das diese pastos aufgetragenen Emaillen an sich tragt, gibt uns Auf-
schluss über den Grund dieses Vorganges. Es ist jenes grusinische Bronzegefäß
mit der emaillirten zur Falkenbeize ansreitenden Figur im Fonde, das im Oesterr.
Museum aufbewahrt wird, und das in die Reihe des tungarischen Drahtemails- gehört.
Auch finden sich hier jene Fortschritte des Luminirens, welche Hampel behandelt.
Es sind die weißen Patzen, welche in den Cloisons an der Schale sich befinden, noch
einmal mit rother, leicht düssiger Emailfarbe bemalt, und die Schale sicher noch ein zweites
Mal in's Feuer gekommen, um diese Zier einzubrennen. Dann sieht man deutlich, dass
durch dieses Email zunächst Türkisenreihen und Perlenreihen, die ja doch aus
der Flache ein wenig herauszurageu haben, nachgeahmt worden sind.