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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IV (1889 / 1)

der Hellenismus in Rom nun völlig zu Hause war, erhielt seine buch- 
stäbliche Bestätigung, indem er in die lnterieurs des vornehmen Römer- 
hauses schmuckverleihend einzog. Es entsprach dies so ganz dem feinen, 
gebildeten Liebhabergeschmack, wie er sich auf den Höhen der römi- 
schen Gesellschaft in den letzten Tagen der Republik und im Beginne 
des Kaiserthums festgesetzt hatte. Wie die jungen Candidaten der rö- 
mischen Staatscarriere in den griechischen Rhetorenschulen ihrem Rede- 
drang Schliff und Form zu geben suchten, wie Cicero in den Briefen an 
Atticus seinen lateinischen Text mit griechischen Citaten ornamentirte: 
so umgab sich damals die elegante Häuslichkeit besonders gern mit dem 
anmuthig-beweglichen Reiz hellenistischer Zierformen, dazu mit ausdrück- 
lichen, bildlichen Citaten nach den bedeutendsten Kunstschöpfungen von 
Hellas. Die monumentale Architektur verselbständigt: sich wohl - einen 
großen nationalen Zug ausdrückend - im augusteischen Zeitalter; es 
war die erste Redaction des specifisch-römischen Baustils, allerdings mit 
gräcisirenclen Reminiscenzen - bis unter Kaiser Trajan die zweite 
gründliche Durcharbeitung, die endgiltige Redaction des eigentlich rö- 
mischen Cäsarenstils erfolgte. Aber die Decoration des, Hauses redete in 
dieser ganzen Epoche noch immer ein reines Griechisch; ihr Programm 
änderte sich auch nicht wesentlich in den Folgezeiten von den Flaviern 
bis auf Hadrian, nur die Stilempfindung wurde merklich stumpfer und 
flacher. In Unter-Italien, dem ehemaligen Großgriechenland, dieser Stätte 
alter hellenischer Colonisation, Boss der neuere hellenistische Kunst- 
einfluss mit früheren, örtlich artistischen Ueberlieferungen von selbst 
zusammen. Ein farbig-reicher Beweis hiefür sind die Wände von Pom- 
peji, die noch immer dem Boden entsteigen. 
Die Wandmalereien und Stucco-Reliefs der Casa Farnesina zeigen 
uns aber den hellenistischen Kunstbestand zu Rom in einer reinen, 
scharfen Formenfrische, mit der sich kaum etwas Pumpejanisches in 
eine Reihe stellen kann. Auch culturhistorisch vergegenwärtigen uns 
die aufgegrabenen Interieurs so recht das "homeu des allervornehmsten 
Römerthums jener Epoche. 
In srilgeschichtlicher Beziehung ist uns dies besonders bemerkens- 
werth, dass uns hier die italische Decoration noch mit ihren unverkenn- 
baren, hellenistischen Ursprungsmerkmalen, in reiner gemessener Haltung 
entgegentritt. Noch ist der pompejanische Spieltrieb der decorativen lm- 
provisation nicht entfesselt; jede Form verräth ein deutliches, stilistisclies 
Gedächtniss ihrer Herkunft. Der Rahmen der architektonischen Compo- 
sition ist genau eingehalten; von den wesentlichen Gliederungen ist 
nichts fortgelassen, wenn auch das Detail im decorativen Sinne umgebildet 
und in's Leichte und Zierliche verfeinert, gelegentlich wohl in's Phan- 
tastische, aber immer noch Formal-Gesetzmäßige umgedichtet erscheint. 
Jedes einzelne Element der Decoration ist in seinem Zusammenhang mit 
dem Ganzen motivirt: die gemalten Karyatiden und Telamonen treten
	        
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