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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IV (1889 / 3)

 
Mielhhausern jede Wohnung eine vordere und rückwärtige Stiege, und jedes Zimmer, 
mit Ausnahme des Speisezinimers einen eigenen Ncbenausgang, der in einen allerdings 
oft dunlteln Verbindungsgang mündet. 
Einen theilweisen Ersatz für das Einzelwohnhaus hat Wien in seinen Villen in 
den Thälern des Kahlenberges und des] Wienerwaldes, für welche nicht selten_ die ori- 
ginellen Bauweisen unserer Gebirgsbeivohner Motive abgegeben haben. Die Cottage- 
Anlagen dagegen sind nur ein vereinzeltes Beispiel dafür, in welchem Sinne die Stadt- 
erweiterung an der Peripherie hatte in Angriff genommen werden sollen. Die mannig- 
fachen Fehler im Ausbaue des modernen Wien lassen sich alle auf den Mangel eines 
großdurchdachten Bebauungsplanes zurückführen. Ein planmaßiges Vorgehen zeigt nur 
der Ausbau der Ringstraße, an allen anderen Punkten der Stadt entschied der Zufall 
und zwischen den Interessen der Industrie und jenen der Familie mit ihrem wohl- 
berechtigten Begehren nach gesunden und angenehmen Wohnungen wird täglich ein 
erbitterter Kampf geführt. Fabriken mit ihrem Rauch und Lärm belästigen die Wohn- 
statten, diese aber hindern Gewerbe und lndustrie in ihrer freien Entwickelung. Kräfte, 
die berufen sind, gemeinsam die Blüthe und das Gedeihen der Stadt zu fordern, reiben 
sich auf im Kampfe um ihre Existenz und schädigen sich gegenseitig in Folge des ver- 
hangnissvollen lrrthums, dass die Entwickelung dieser Dinge sich dem Eingreifen einer 
vorausschauenden Organisation entziehe. Zur Zeit, als man die Stadterweiterung in An- 
griff nahm, wäre eine Organisation des Bauwesens und eine entsprechende Theilung in 
Handels-, Fabriks-, Wohnquartiere u. s. w. leicht durchführbar gewesen; jetzt, nachdem 
viele Millionen von Baucapital an unrechter Stelle und in unerwünschter Art angelegt 
sind, ist nur noch eine theilweise Correctur mogliclu, aber auch die nur unter der Vor- 
aussetzung, dass man daran geht, das Bauwesen Wiens planmäßig zu ordnen. 
Der Vortragende ging sodann auf die Besprechung der bei uns in Uebung stehenden 
Stilarten und Bautechniken über, und schloss mit dem Wunsche, es möge der Ausbau 
Wiens von großen Gesichtspunkten aus planmäßig organisirt werden. 
- Am I7. und zt. Januar las Professor Franz Wickhoff über nZwei Wende- 
punkte in RalTaeVs Entwickelungu. 
Es handelte sich dem Vortragenden erstens darum, zu bestimmen, wann der 
Künstler, welcher als der Hauptreprasentantrder Malerei der Renaissance gilt, mit dem 
was man gemeinhin Renaissance nennt, der versuchten Wiedererweckung der antiken 
Kunst bekannt wurde. Da Ralfael ferne von dem Mittelpunkte künstlerischer Entwickelung 
erzogen wurde, sollte auf die Künstler hingewiesen werden, welche ihm die Prinzipien 
eines neuen Stiles übermitteln. Dann aber würde ein zweiter, nicht minder wichtiger 
Zeitpunkt der sein, wann Raffael sich reif fühlte, den neuen Stil, den er in sich auf- 
genommen, weiter zu entwickeln, gleichsam als Norm aufzustellen, der Generationen von 
Künstlern folgen, oder auf die sie immer wieder zurückkommen. 
Der erste der beiden Vortrage beschäftigte sich hauptsächlich mit der künst- 
lerischen Erziehung Baccio's della Porta. Es wurde ausgeführt, wie er in der Werk- 
statt des Cosimo Roselli mit der alten symmetrischen Kunst des Trecento bekannt wurde, 
daraus Principien der Composition entnahm, die im Quattrocento wieder in Vergessen- 
heit gerathen waren, andererseits, gegenüber dem Naturalismus der zeitgenössischen Maler 
seinen Stil durch das Studium der antiken Plastik ausgestaltete. An einer Reihe bisher 
nicht beachteter Zeichnungen, deren Nachbildungen ausgestellt waren, wies der Vortragende 
eine Periode in Baccio's Jugend nach, wo er sowohl nach der antiken Sculptur zeichnete, 
als auch Erfindungen nach antiken Stoßen versuchte. Ein solcher Compositionsentwurf 
zu den Amores des Philostratus wurde des Genaueren untersucht; was von dieser 
Jugendübung in seine spateren religiösen Bilder überging, hierauf festgestellt. Auf ein 
paralleles Verhaltniss des gleichalterigen Michelangelo zur Antike wurde hingewiesen, 
dann RaGaeVs Eintritt in Florenz und sein Verhaltniss zu Baccio oder, wie er jetzt 
hieß, Fra Bartolomeo von S. Marco, geschildert. Hier wurden wieder jene Zeichnungen, 
Compositionsentwürfe und Bilder genauer besprochen, die ein Studium und eine Ein- 
wirkung der gleichzeitigen sowohl als der antiken Plastik augenfallig machen, 
lm zweiten Vortrage wurde zuerst darauf hingewiesen, wie RalTaePs Malerei in 
seinem ersten Cyltlus in Rom in der Stanza della Segnatura inhaltlich noch ganz mit der 
symbolisch-didaktischen Richtung zusammenhängt, welche in der Cotnodie ihren gewal- 
tigsten Ausdruck gefunden hatte, ia wie dieses Zimmer, besonders das Gemalde des 
Parnass, als ein Triumph Dante's bezeichnet werden kann, während formell sich ein 
Vorherrschen antiker Motive breit macht, das in solcher Ausdehnung auf keinem früheren 
Werke der Renaissance beobachtet werden kann. Nun wurde ausgeführt, wie durch das 
Hinzutreten Baldassare Peruzzi's RalfaeVa antiquarische Neigungen Nahrung erhielten. 
Peruzzi's Antheil an der Ausmalung des Heliodor-Zimmers, an der Farnesina, an den 
Bordüren der Teppiche wird nachgewiesen, und die Häufung antiker Elemente in allen 
diesen Arbeiten hervorgehoben, endlich die Meinung ausgesprochen, Baldassare sei es
	        
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