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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IV (1889 / 4)

Casa Farnesina. 
(Das antike, im Gartengrund der Villa Farnesina 1879 aufgefundene Haus.) 
Von Prof. Dr. Josef Bayer. 
(Fortsetzung) 
Die merkwürdigste Specialität dieses Raumes ist aber der Fries, 
welcher zunächst das antike Gerichtsverfahren "in Strafsachenn durch 
eine Folge von Episoden illustrirt. (Mon. inecl. vol. Xl. tav. XLV-XLVIII.) 
Artistisch interessant ist die eigenartige Uebertragung des plastischen 
Friesreliefstils in's Malerische. Die Figuren sind mäßig colorirt und 
nähern sich soweit dem Sculptur-Eindruck, aber dabei sind sie in der 
Haltung und Gruppirung zugleich naturalistisch belebt. Ich hebe zur 
Probe nur folgende Darstellungen hervor. Ein Dieb, der eine Leiter an- 
legt, von rückwärts gefasst; ein Uebelthäter, sich duckeud, mit über den 
Rücken geworfenem Mantel, von zwei Häschern ergriffen (vortrefflich in 
der Composition der Gruppe); ein Alter mit Jammermiene, aus seinem 
Versteck hervorgezogen. Dann mehrere Strolche, mit auf dem Rücken 
gebundenen Händen vor den Richter geführt; vorn einige Hehende 
Weiber, die sich zu den Füßen des Prätors niederwerfen, der sich mit 
theilnehmender Geberde vorbeugt, um ihre Klage zu hören. Hierauf der 
Prätor mitten in der Amtshandlung des Verhörs; vor ihm ein Tischchen, 
auf welchem das corpus delicti, ein gestohlener Sack, niedergelegt ist, 
dann die anttetenden Zeugen, die Hände zum Eid erhebend. Rückwärts, 
nächst der Wand sitzend, ein Soldat der Gefängnisswache, Schwert und 
Lanze über das Bein gelegt, das rechte, emporgezogene Knie mit beiden 
Händen fassend. Weiter folgen die Zurüstungen zum Strafvollzug, viel- 
leicht auch zur Tortur, nicht durchwegs deutlich . . . Die Abtheilungen 
der einzelnen Episoden des Frieses sind durch Zwischenwände und kleine 
Gemäuer mit Nischen markirt. Nebenher sind auch friedliche Situationen 
aus dem alltäglichen Leben eingeschoben; in welcher Beziehung sie zu 
jenen Vorgängen im Prätorium stehen, ist kaum herauszufinden. 
Immerhin stellt es sich heraus, dass eine ganz besondere Tendenz 
jenen gemalten Fries veranlasst hat. Aus dem heroischen Sagenkreis der 
Heldenkämpfe und Amazonenschlachten, aus der feierlichen Entwickelung 
der Festzüge, wie sie sonst den classischen Friesclarstellungen eigen zu 
sein pflegen, gerathen wir hier zu unserem Erstaunen in die criminalistische 
Sphäre, zwischen Häscher, lnquisiten, Gefängnisswächter, vorgeladene 
Zeugen. Der echt römische Realismus mit seiner harten Lebensauffassung! 
Dies fällt uns zunächst bei. Und dennoch stimmt es nicht ganz. Die 
künstlerische Vortragsweise, auch das Costüm ist doch hellenistisch. 
Dabei drängt sich uns aber eine weitere Bemerkung auf. Wenn die 
bildlichen Darstellungen in den Mittelnischen und den Attiken der 
nachbarlichen Cabinete zum Theil Reminiscenzen an berühmte Tafel- 
bilder einer früheren Kunstepoche sein_ mochten, so hat in diesem Fries
	        
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