MAK

Volltext: Monatszeitschrift XVI (1913 / Heft 11)

phosenmotiven nach französischen Ovid-Ausgaben, Vignettenspielen nach Eysen und 
Moreau, verwandt galanter Buchkunst, zum Beispiel der Dekameron-Ausgabe. 
Doch auch deutsche Meister werden in Porzellan verewigt, so Chodowieckis Szenen 
aus Minna von Barnhelm auf einem Dejeuner, einem Frühstücksservice von x77 x. Keine 
Interieure in fest umschließenden Rahmen werden das, sondern in Zusammenhang mit 
der locker über den 
lichten Grund schwe- 
benden Blumenstreu- 
kunstgaukelthieralles 
wie in Lüften im frei- 
en weißen Porzellan- 
raum zwischen losem 
Baum- und Zeltarran- 
gement: die Dame 
in Trauer, in der ge- 
wohnten Tracht vom 
ernsten Schwarz, Min- 
na in gelber Robe und 
weißen Spitzen, Tell- 
heim im roten Uni- 
formfrack des Majors, 
Franziska im Tändel- 
schürzchen und J ung- 
fernhäubchen. 
Nach der kolo- 
ristischen Fülle der 
Dekore in Purpur, 
Gelb, bleu royal, Ne- 
phritgrün kommt ge- 
gen Ausgang des 
Jahrhunderts in Ver- 
bindung mit dem 
strengeren Linienstil 
puritanischere Farbe. 
Eisengrau dominiert, 
der Ton der Kupfer- 
stiche, und statt der 
Flatterszenen kom- 
men jetzt geschlos- 
sene Rahmenbilder, 
nichtnurDek0remehr 
Heinrich Tessenow, Dalcroze-Schule in Hellerau, Platzansicht Sondern Darstellun- 
gen mit Selbstzweck. 
Das Porträt nimmt den Hauptplatz ein. Die Vasen mit den Bildnissen der königlichen 
Familie und dem vom Adler gekrönten Deckel sind beliebte Huldsouvenire, Silhouetten 
treten auf, sogar die Blumen dienen jetzt sachlichen Zwecken und verschlingen ihre 
Gewinde zu Monogrammen. 
Gleichzeitig mit dem Gerät blüht die Plastik, farbig und weiß in Biskuit. Die 
Brüder Meyer, Johann Georg Müller und Riese folgen sich chronologisch als „Modell- 
meister". Pastoralen, Chinoiserien, Kinder- und Tiergruppen, blasses Allegoriewesen 
und Genienspuk sind da Thema, aber auch die derbe und kuriöse Charakteristik 
wilder Völkerstämme in dem porzellanenen Huldigungsballett für die Tafel der russischen
	            		
597 Katharina. Ein sehr merkwürdiges Werk ist Christian Wilhelm Meyers Allegorie auf die Hochzeit Maria Antoinettes, la France und l'Autriche stoßen da, über einem Altar, mit Hammenden Herzen wie mit Bechern an. Das Porzellan-Empire bringt glatte Formen und kühle Farben, und nach den Freiheits- kriegen tritt auch diese zarte Kunst in das heroische Zeichen. Als Geschenke für verdiente Generale stiftet der König Service mit dem Dekor des eisernen Kreuzes im Lorbeerkranz, mit artilleristischen Emblemen, Kanonen, getürmten Kugelhaufen, Zelten, Soldatengruppen in den Uniformen der verschiedenen Regimenter. Aus der Folgezeit ist zu erwähnen die Heinrich Tessenow, Entwurfzeichnung zu einer Gartenanlage Periode der Abhängigkeit von Wien mit starken Farben, reichern Golddekor, Lambrequin- ornament. Um 1830 reizende Porträtplastik: Fanni Elßler mit Spirallöckchen um das liebe Gesichtel, Mieder und Knieröckchen. Um xB5x die mißverständlichen Versuche, in Porzellan altitalienische Majoliken nachzubilden, Urbinogelb mit Schwarz und Renais- sancefassadenmotive auf Vasen. Viel schlimmer wird dann aber das „Neurokoko" um 1880, die „Kips-Zeit", da unter dem Regime dieses Malers, die bösartigen Vasen und Standuhren von kalter Pracht mit spitzigem Zackenwerk und einer undisziplinierten zuchtlosen Überwucherung krausen. unruhigen. zerrissenen Schrnuckkleinkrams sich als Stolz der Manufaktur brüsteten und uns vor dem Ausland mit ihrem zum Monumentalen aufgebauschten Kinkerlitzchenstil kompromittierten. 78
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.