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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IV (1889 / 5)

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- Radzieher - in unbequemer Weise drehen lassen mussten. Indem 
durch diese Verbesserung in der That die Glas- und Steinschneiderei 
auf eine viel höhere Stufe gehoben wurde, sei es nur als eine kleine 
Uebertreibung anzusehen, wenn das Privileg Lehmann wirklich zum 
"Erfindern der Kunst stemple. Sein Schleifstuhl ist in der Folge immer 
derselbe geblieben und nur die Räder, Instrumente und andere Werk- 
zeuge sind von den Schwanhardt und anderen Nachfolgern des berühmten 
Meisters noch verbessert worden, so dass Sandrart das Schleifen zu seiner 
Zeit (1675) ein vLustspielu gegen die erste harte Arbeit nennt. 
Friedrich's Anschauung scheint mir sehr plausibel. Er bemerkt ferner, 
dass Lehmann'sche Gläser in den Kunstkammern von Wien und München 
vorkommen; erstgenannter Ort besitzt aber leider kein einziges. Nun hat 
sich aber das schöne Glas im fürstlich Schwarzenbergkchen Besitz im 
Schlosse Frauenberg in Böhmen gefunden, welches, wie ich in diesen 
"Mittheilungenß vor Kurzem angezeigt habe, Professor Koula in seinem 
interessanten Werke in zwei Darstellungen wiedergegeben hat, von 
welchen die eine das Gefäß von der Vorderseite zeigt, die andere die 
vollständige Developpirung des eingeschliffenen Dessins. Statt jeglicher 
Beschreibung verweise ich auf diese ganz genügenden Aufnahmen und 
bemerke blos, dass auf dem sich nach oben trichterförmig erweiternden 
Gefäßkörper drei thronende Frauen dargestellt sind, von denen die mittlere 
en face, die seitlich sitzenden en prof-il zu sehen sind. Links (heraldisch) 
erblicken wir - laut Ueberschrift - Liberalitas mit einem Sacke, welchem 
Münzen entquellen; in der Rechten hält sie einen großen, kreisrunden 
Gegenstand an einem kurzen Stiel (einen Spiegel?), auf dessen Rand 
ein Falter sitzt. Die Potestas zur Rechten hält Scepter und Palme in 
Händen, beider Häupter sind unbedeckt. Dagegen trägt Nobilitas in der 
Mitte eine deutlich der österreichischen sogenannten Hauskrone nach- 
gebildete Krone, deren heute in der Wiener Schatzkammer bewahrtes 
Original bekanntlich 1602 auf Befehl Rudolf ll., wahrscheinlich durch 
David Attemstetter in Augsburg, angefertigt wurde, also drei Jahre vor 
Vollendung des 1605 datirten Glases. Der Thron der mittleren Figur 
ist mit so reichem Schnörkelwerk versehen, dass man ihn fast schon dem 
reifen deutschen Barockstil zutheilen möchte und erstaunt ist, dergleichen 
schon 1605 anzutreffen; die Rücklehne geht in phantastische, harpyen- 
ähnliche Figuren aus. Neben diesen sehr barocken Motiven finden wir 
am eingebogenen FuBrande des, wie Koula trelfend sagt, vollständig in 
seiner Gesammtform an gleichzeitige deutsche Schmelzfarbengläser erin- 
nernden Bechers Bündel von Früchten, welche in ihrem Stiltypus sofort 
an die beliebten Verzierungen Jost Amman's gemahnen. Zwischen den 
Figuren sind Blumenvasen mit Bouquets und hoch emporwachseinde 
Ranken von Nelken, Rosen etc. angebracht, auf deren Blüthen Schmetter- 
linge, Motten, Spinnen ihr Wesen treiben, - eine Decoration, bei deren 
Anblick man wieder an den Geschmack der Schule .lamnitzer's denken
	        
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