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Abenteuern einen willkommenen Unterstand bieten mochte. Gar Vieles
deutet darauf hin: die umfassende Bauanlage, die festlich-schmuckvolle
Decoration, die eigenartige Disposition größerer und kleinerer Räumlich-
keiten, die über das Programm eines noch so vornehmen Privathauses
in jener im Bauluxus noch keineswegs ausschweifenden Epoche immerhin
hinauszugehen scheint. Artistisch überzeugend ist für mich zuvörderst
die völlige stilistische Uebereinstimmung der Wanddecorationen der Casa
Farnesina mit jenen des Hauses des Germanicus auf dem Palatin, nament-
lich mit der Wand des Tablinums und des Tricliniums daselbst. (Vergl.
Mon. ined. vol. XI. tav. XXll u. XXlll.) Es ist mehr als wahrscheinlich,
dass die Wandmalereien auf dem Palatin und am Tiberstrand aus einer
und derselben Decorationsschule hervorgegangen sind.
Das "goldene Hause des Nero war eine grandiose Villenanlage in-
mitten der Stadt, mit aller Pracht ausgestattet, über welche das damalige
Kunstvermögen verfügte. Der von Severus und Celer mit größter Be-
schleunigung emporgezauberte Prunkbau w den Otho weiter bauen ließ,
der aber schon dem Vitellius nicht mehr genügte - wurde nachher
mit gleicher Hast demolirt; die Flavier wollten durch dieses Zer-
störungswerk gleichsam die verhassten Erinnerungen an Nero der An-
schauung entziehen. Die Thermen des Titus erstanden als ein volks-
thümlicher, der allgemeinen Benützung gewidmeter Bau an derselben
Stelle, wo früher der menschenfeindlichste, selbstsüchtigste Genusskitzel
seinen Sitz gewählt hatte. Man wollte keine Zeit verlieren und warf die
unteren Räume nur zu - und so blieben in denselben die interessanten
Wanddecorationen aus dem Untergeschoss des Neronischen Palastes
erhalten, an denen die Künstleraugen aus der Renaissance sich nicht satt
sehen konnten. An die Casa Farnesina knüpften sich wohl auch gehässige
Reminiscenzen an die bodenlose Sittenverderbniss und die geheimen Aus-
schweifungen des so bald verlotterten, augusteischen Hauses. Der ernste
Tacitus, der scharfe Juvenal scheinen ihre Geisteraugen auf diese, künst-
lerisch sonst so anziehende Stätte zu richten. Ob nicht so manche der
sinnlich-wilden Excesse der Messalina in den Boudoirs dieses Hauses ihre
Schlupfwinkel fanden . . . .
Nerva und Traian hatten ein solides Regierungsprogramm und
machten auch Reclame für ihre Solidität in ähnlicher Weise, wie früher
Vespasian und Titus. Es ist leicht möglich, dass jene Kaiser, um auch
am Tiberrand das Gedächtniss der Scandale der julischen Dynastie zu
tilgen, das ganze Areal daselbst für einen ausgedehnten Nutzbau nach
Art einer Horrea auslieferten, und zwar jenem "Collegium Liberi patris
et Mercuriiu, das hier seine Weinvorräthe deponirte - zugleich mit der
Concession, beliebige Partien der alten Kaiservilla zuzuschütten, zu demo-
liren, zu überbauen, wie es auch quer durchschnlcidende Gemäuer aus-
drücklich bezeugen. Eine demonstrative Zerstörung scheint an dieser
Stätte unbedingt noch in der Cäsarenzeit stattgefunden zu haben. -