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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIII (1878 / 156)

oder irgend einen Kunstgegenstand in ihrem reinsten Style durchzuführen, 
wie es z. B. die Verehrer des Mittelalters a outrance versuchen. Die Ab- 
sicht ging immer nur darauf hinaus, die Gegenstände schön und gut, d. h. 
kunstgerecht und unseren Bedürfnissen angemessen zu schaffen, und nur 
das gemeinsame und wirklich verwandte Stylgefühl ist es, der Umstand, 
dass unsere Anforderungen, unsere Ideen von Schönheit und Zweckmässig- 
keit am meisten sich in den Formen der Renaissance erfüllt zeigen, dieser 
Umstand ist es, welcher eben die Renaissance für die heutige Kunstindustrie 
hat in den Vordergrund treten lassen. Ich sage: in den Vordergrund, 
denn sie ist keineswegs ausschliesslich geübt worden; sie hat, um nur das 
Eine zu erwähnen, z. B. der orientalischen Flächendecoration einen höchst 
bedeutenden Spielraum überlassen müssen. i 
Nichtsdestoweniger lässt sich nicht in Abrede stellen, dass ihr Ein- 
tluss fort und fort gewachsen ist und den der anderen Style zurück- 
gedrängt oder gänzlich aus dern Felde geschlagen hat. Selbst in Frankreich 
hat sich die Stylart Ludwigs XIII. derjenigen von Louis XVI. mehr als 
ebenbürtig an die Seite gestellt, obwohl die Franzosen mit der Umkehr 
zu den strengeren, kunstgerechten Formen der Renaissance ihre eigenste 
Eigenart, die Willkür, verläugnen. Auf der Münchener Ausstellung im 
Jahre 1876 schien die Renaissance allein noch Giltigkeit zu haben; alles 
Andere versank, aus dem künstlerischen Gesichtspunkte betrachtet, vor 
ihr in nichts. 
Der Eindruck war so, dass man in Deutschland daraus den Schluss 
zog, die Renaissance sei der hoffnungsreiche und der einzig gemässe Styl 
für Gegenwart und Zukunft. Statt nach "schön und gutw rief und ruft 
man nun aller Orten nach der Renaissance. Man beruft sich dabei aus- 
drücklich auf den Erfolg der österreichischen Arbeiten, vergisst aber oder 
übersieht vollständig, dass bei uns die Renaissance gar nicht in der Absicht 
lag und es bei keinem Stücke um sogenannte Stylreinheit zu thun gewesen 
ist. Allerdings hat ein strenges und wohlgeschultes künstlerisches Ver- 
ständniss, ein feines und gebildetes Stylgefühl obgewaltet, welches den 
rechten Weg geleitet und vor allen Auswüchsen, Willkürlichkeiten und 
disharmonischen Dingen bewahrt hat. Daher es denn auch gekommen ist, 
dass die österreichischen Arbeiten einen so einheitlichen und geschlossenen 
Charakter trugen, obwohl sie weder einzig die Stylformen der Renaissance 
zeigten, noch ihre Reinheit und Echtheit beabsichtigt hatten. Sie wollten 
Originale, freie, moderne Schöpfungen sein und waren es auch in der 
Mehrzahl. 
In Deutschland ist man aber noch weiter gegangen. Man ist nicht 
mehr bei der Renaissance in ihrer Allgemeinheit stehen geblieben, sondern 
man erhebt den Ruf nach deutscher Renaissance, in dem Sinne, als han- 
delte es sich darum, einen besonderen deutschen Kunststyl wieder zu 
schatfen. Man kann den Wunsch bei der starken Anregung, Welche das 
deutsche Nationalgefühl in den letzten Jahren erfahren hat, begreiflich
	        
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