222
Unheil die Schuld tragt. Da kommt nun das obengenannte Buch zu guter Stunde; in
seinem Titel ist der Inhalt ziemlich vollständig angedeutet. Der Verfasser belehrt uns
in seiner bekannten, streng wissenschaftlichen und doch sehr angenehmen Art darüber,
wie die hohe Entwicklung der französischen Kunst und Industrie und der resultirende
Wohlstand der betreffenden Gesellschaftsclassen das Ergebniss der ununterbrochenen Kunst-
und Gewerbepolitik der französischen Staatsmänner ist, die mit grossem Blick und ziel-
bewusst die Zukunft ihres Volkes vorzubereiten wussten, vom 16. bis zum Anfange des
1 . Jahrhunderts. So weit führt uns der Autor in dem vorliegenden ersten Theile seines
ißerkes, dessen Hauptabschnitte in einem Ueberblicke die mittelalterlichen Culturverhalt-
nisse, hierauf die französische Renaissance, den Cnlbertismus, die Organisation der fran-
zösischen Kunst von Staatswegen, die volkswirthschaftliche Bedeutung der exacten Wissen-
schaften und deren Verwendung für Zwecke der Kunstgewerbe beleuchten, Schliesslich
zieht er die Summe aus dem Vergleiche der französischen Verhältnisse mit den gleich-
zeitigen in Oesterreich und Deutschland, und die Nutzanwendung für unsere Zustande
springt von selbst in die Augen. Die Regierung kann sich der Ueberzeugung freuen,
dass der von ihr zur Hebung der Geschmacksbildung und der Industrie durch Museen
und Schulen eingeschlagene Weg wenigstens ein guter Anfang ist; unsere Communen
mögen sich an der thatigen Mithilfe, welche französische Private und Städte durch Grün-
dung selbständiger Institute den Absichten der Regierung _entgegenbrachten, ein Vorbild
nehmen und das grössere Publicum möge aus der vorliegenden historischen Darlegung
neuerdings die Einsicht schöpfen, dass bei culturpolitischen Unternehmungen die Früchte
nicht über Nacht reifen. Wir sehen dem zweiten Theile des Werkes, welcher die Ge-
genwart behandeln wird, mit um so grösserem Vergnügen entgegen, als der Verfasser
auch hiezu wie zu dem ersten Theile das Materiale mit ausserordentlicher Mühe und
Sorgfalt in Frankreich selbst gesammelt hat.
Dr. Hub. Janitschek: "Die Gesellschaft der Renaissance in Italien und
die Kunst: Stuttgart, Spemann, 187g. 8.
In der vorliegenden Brochure erfreut der Verfasser das kunstliebende Publicum
mit der Veröffentlichung der vier Vortrage, welche er im verflossenen Jahre im Oesterr.
Museum gehalten hat. Sie sind daher ihrem Hauptinhalte nach unseren Lesern bereits
bekannt. Da sie aber neu bearbeitet mit eingehenden Anmerkungen versehen sind, er-
scheinen sie gewissermassen wie ein neues Werk, das auch für streng wissenschaftliche
Zwecke einen bleibenden Werth behalten wird. Sie enthalten eine Fülle von Nachweisen,
welche Niemand, der sich ernsthaft mit der Geschichte der Renaissance beschäftigt, wird
ungestraft ignoriren dürfen. Sie zeigen die umfassende Belesenheit des Verfassers auf
diesem Gebiete. Die Vorrede motivirt die Umarbeitung der Vorlesungen und das Ver-
haltniss des Buches zu den Arbeiten G. Voigt's und J. Burckhardfs über das Renaissance-
zeitalter.
M. Eugene Müntiz: Les Arts de la Cour des Papes pendant le XV"
et le XVIC Siecle. Recueil de Docutnents inedits. Premiere Partie:
Martin V., Pie Il. 1417-1464. Paris, Emest Thorin, Editeur.
Bei der Besetzung Roms durch den König von Italien kam mit der Engelsburg
zugleich ein Theil des päpstlichen Archivs, und zwar die Finanzabtheilung in den Besitz
des italienischen Staates, Kaum war dasselbe dem römischen Staatsarchiv einverleibt, als
auch sofort die ungeheuere Wichtigkeit dieser Abtheilung für alle Disciplinen der Ge-
schichte erkannt wurde. Und vor Allem für die Cultur- und Kunstgeschichte - wenn
man auch leider schnell die Wahrnehmung machte, dass gerade die Rechnungsbücher
der grossen Renaissancepabste, wie Julius ll. und Leo X., mangelten. Engen Muntz war
einer der Ersten, welcher die Durchforschung dieser Abtheilung des römischen Staats-
archivs für kunstgeschichtliche Zwecke unternahm; neben ihm A. Rossi, der mit eifer-
süchtiger Eile seine "Spogli Vaticaniw im "Giornale di Erudizione Artistica- publicirt. -
Von Engen Müntz liegt der erste Band des auf zwei Bande geplanten, geordneten Sam-
melwerkes vor, welches uns die Geschichte der Renaissancekunst in Rom in der knappen,
trockenen, aber widerspruchsfreien Art von Auszügen aus Rechnungsbuchern vorführen
soll. Der erste Band behandelt die Geschichte der Kunst in Rom unter den Papsten:
Martin V., Engen IV., Nikolaus V., Pius Il.
Der Herausgeber zeigt sich dem Stoffe gegenüber fast zu schweigsam; eine Vorrede,
eine Einleitung, die über Plan und Absicht orientirte, gibt er vorläufig gar nicht; die zu-
sammengestellten Daten werden mit kurzen PraIiminar-Notizen eingeleitet. - Allerdings,
diese Daten sprechen energisch genug: sie sagen uns, dass die Kunstgeschichte Roms im
fünfzehnten Jahrhunderte durchaus neu zu schreiben ist (dazu fordert ia auch der zweite
Band von Milanesfs Ausgabe des Vasari eindringlich genug auf), werden doch durch die