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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIV (1879 / 162)

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ungenügend geregelten Verhältnisse des elementaren Schul- 
wesens zur gewerblichen Ausbildung des Volkes begründet 
scheinen. Ueber die Untüchtigkeit, Mangelhaftigkeit, Undauerbarkeit 
unserer Handwerksleistungen gegen die Arbeit früherer Zeiten wird in 
allen deutschen Staaten und in Oesterreich fast ausnahrnlos und mit 
vollem Recht geklagt. Es erscheint nun auffallend, dass in England und 
Frankreich und in einigen südlichen Gebieten Europa's keineswegs die- 
selbe Klage mit demselben Nachdrucke erhoben wird. Ferner ist es aber 
bemerkenswerth, dass diese gewerblich tüchtigeren Länder nicht das 
System des Volksschulwesens besitzen, welches den Staaten deutscher 
Cultur eigenthümlich ist. Sollte da nicht ein Zusammenhang zu vermuthen 
sein, und sollte dieser Umstand nicht in hohem Masse die vorurtheilsfreie 
Beachtung deutscher Staatspädagogen verdienen? 
In der Fachliteratur ist auch bereits diese Frage angeregt"), und bei 
unbefangener Betrachtung der Verhältnisse lässt sich kaum verkennen, 
dass in der That die eigenthümliche Entwicklung des elementaren Schul- 
wesens in den deutschen und österreichischen Gebieten den Rückschritt 
der Handwerke nicht gerade herbeigeführt, aber doch sehr erleichtert hat 
und dass die gegenwärtige Legislation über diesen Unterricht eine Besse- 
rung des gewerblichen Zustandes ungemein erschweren wird. So paradox 
es dem deutschen vCulturphilisteru klingen mag, so ist es doch nicht 
minder wahr, dass jene Institutionen des allgemeinen Volksunterrichts, 
durch welche die deutschen und österreichischen Bevölkerungen vor 
anderen Populationen sonst so viel voraus haben, für die Entwicklung 
einer technisch tüchtigen Handwerksarbeit kein günstiger Factor sind. 
Wohl hat überall in Europa seit dem sechzehnten Jahrhundert das Hand- 
werk - und insbesondere das Kunsthandwerk - im technischen wie im 
ästhetischen Sinne einen fortwährenden Niedergang erfahren. Aber es ist 
eine unverkennbare Thatsache, dass die Geschicklichkeit der Handwerker, 
namentlich in kleineren Städten und Ortschaften, in den deutschen Staaten 
und in Oesterreich seit dem vorigen Jahrhundert in ärgerem Grade abge- 
nommen hat als in den westlichen und südlichen Ländern Europas Die 
sonst so löhlichen Schulinstitutionen jener Staaten, wie sie seit dem acht- 
zehnten Jahrhundert sich entfalteten, haben allrnälig dahin geführt, dass 
Niemand mehr vor seinem vierzehnten oder fünfzehnten Jahre sich mit 
der Erlernung eines Handwerks gründlich beschäftigen kann. Denn der 
allgemeine Schulzwang hält die jungen Leute bis zu diesem Alter zurück, 
um sie in den Lehren der sittlichen und der allgemeinen Bildung zu 
unterrichten und sie dadurch für das Gemeinwohl zu guten Mitgliedern 
') Vgl. IKIIDSIQCWGTlJliChE Zeitfragen-x. Vortrag, gehalten lm k. k. Oesterr. Museum 
am 8. November x877 von R. v. Eitelberger (1877) und vZur Frage der Verbindung 
einer gewerblichen Arbeitsschule mit der Volksschule und der Fachschulen von demselben 
Verfasser (1878 ; beide Schriften im Verlage des Oesterr. Museums). 
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