MAK
Nr. 14 
Internationale Sammler-Zeitung 
Seite 109 
einer plötzlichen Leidenschaft zur Kunst entspringen, 
und die eigentlich freudig zu begrüßen sind. Leiden 
schaftliche Sammler antiker Kunstwerke hat es ja 
auch vor dem Kriege gegeben, nicht wie jetzt in Dutzen 
den in jeder Stadt — aber viele. Man sammelte ja 
auch, um einen Schatz zu besitzen, der nach dem 
Tode den drei- oder vierfachen Wert repräsentieren 
konnte. Heute hat aber diese Leidenschaft in Italien 
einen ganz neuen Charakter angenommen, sie erstreckt 
sich auf die neueste, auf die gegenwärtige Kunst. Es 
gibt Sammler und Kunstmäzene, die die ganze Pro 
duktion eines Künstlers erwerben. Die Erfolge der 
Maler Tito und Fragiacomain Mailand waren direkt 
überwältigend, in dem phlegmatischen Florenz stellte 
Plinio Nomellini im vorigen Monat 60 Bilder aus •— 
ein Florentiner Privatier kaufte sie samt und sonders 
auf. Ist diese plötzliche Raserei für die Kunst ein Glück 
oder ein Unglück für die Künstler ? Eine törichte Frage, 
denken die Praktischen, viele aber befürchten einen 
Verfall der Kunst und eine Korruption der Künstler* 
Stendhal schrieb ein Kapitel „Le malheur des rela- 
tions avec les princes“, und meinte damit niemand 
geringeren als Michelangelo am päpstlichen Hofe, 
Und die damaligen Kunstmäzene waren Lorenzo der 
Herrliche, Julius II., Leo X., Paul III. und Karl V.! 
Wer aber daran denkt, mit welchem Elend — und 
dennoch resigniert lächelnd — ein Cremona, ein Ta- 
ruffini, ein Fontanesi, ein Fattori bis zu ihrem Tode 
zu kämpfen hatten, wird zugeben müssen, daß die 
heutige Sammelwut ein Glück für viele Künstler be 
deutet. Erst in einigen Jahren, wenn diese Leiden 
schaft andauert, wird man sehen, ob die Künstler 
matter geworden sind und ob an dieser Mattigkeit 
wirklich nur die Mäzene Schuld tragen. 
®©8@©8©©8©©8©©8©©8©©8©©8©©8©©8©©8©©8©©8©@ 
Chronik.. 
Bibliophilie. 
(52.360 Pfund für 30 Nummern.) Eine sensationelle 
Bücherversteigerung in London war bei Sotheby die Yates 
Thompson Sale, die für 30 Nummern nicht weniger als 52.360 
Pfund brachte. Die alte bibliophile Leidenschaft der Engländer 
feierte im Zeichen des neuen Aufschwungs wahre Orgien. Den 
höchsten Preis brachte das Stundenbuch Johannas II (14. 
Jahrhundert) mit 11.800 Pfund. Ein für Tamerlans Enkel 
gefertigtes Manuskript des 15. Jahrhunderts wurde mit 5000 
Pfund bewertet, das Verdun-Brevier mit 3100 Pfund 
und der erste komplette Aristoteles mit dem Kommentar 
Averroes mit 2900 Pfund. 
(Entdeckung eines unbekannten Livius-Frag 
mentes.) Im Antiquariat von Karl W. Hiersemann in Leip 
zig ist soeben eine bedeutsame Entdeckung gemacht worden. 
Als Umschlag eines alten Druckes aus der Renaissancezeit 
fand sich ein Pergamentblatt, das mit ziemlicher Sicherheit als 
ein Teil der verlorengegangenen Bücher des Titus Livius 
festgestellt wurde. Das Blatt stammt offenbar aus dem 5. Jahr 
hundert. Der Text mit dem deutlichen, alten Kolumnentitel 
LIB. XVL. enthält den Auszug aus einer Rede und fügt sich 
ohne weiteres den bei Livius, Buch 45, dem letzten der er 
haltenen Bücher, erzählten Gegenständen an. Es handelt sich 
um den König Prusias von Bithynien und dessen Rede im 
römischen Senat, also ein Stück, das sich fast genau dort an 
schließt, wo unser bekannter Liviustext abbricht. Der Redner 
(Prusias) sucht sich wegen seiner zweideutigenHaltung zu recht- 
fertigen und ergeht sich in Beteuerungen über die Verschieden 
heit des mazedonischen Volkes und Landes; seinerseits habe 
man nie ernstlich an den Krieg mit den Römern denken können, 
wie jenes unzugängliche Bergland. Danach fragt man ihn, warum 
er den Hannibal verraten habe, der bekanntlich bei Prusias 
Zuflucht gefunden. Die Rückseite des Blattes ist unbeschrieben; 
sie eignet sich wegen ihrer, vom Schreiber wahrscheinlich zu 
spät bemerkten Rauheit nicht zu Schriftzwecken. Jedenfalls 
haben wir diesem Umstande die Erhaltung des Blattes insofern 
zu verdanken, als es um des vielen weiß gebliebenen Pergaments 
willen Späteren zu einem Buchumschlag besonders geeignet 
erschien. 
Bilder. 
(Sieben Millionen Kronen für ein Bild.) Reynolds 
„Tragische Muse“ erzielte bei der Versteigerung beiChristie 
in London 52.000 Guineen. Der Ausrufungspreis war 5000 
Guineen, ging aber sofort auf 15.000 hinauf. Die Angebote 
stiegen dann langsam um je 1000 Guineen. Als das Angebot 
25.000 überschritten hatte, ging es wieder sprunghaft vorwärts. 
Das Bild wurde schließlich um 52.000 Guineen (58.600 Pfund), 
in unserer Friedenswährung 1,440.400 Kronen und nach dem 
Stande unserer heutigen Valuta über sieben Millionen 
Kronen, von der Firma Gooden u. Fox gekauft. Der erzielte 
Preis bedeutet einen Rekord, da er der höchste für ein Bild 
bisher gezahlte Preis ist. 
(Der Altenburger Lochner bleibt in Berlin.) Aus 
Berlin wird gemeldet: Vor einiger Zeit ging die Nachricht 
durch die Blätter, daß die Prinzessin Moritz von Sachsen- 
Altenburg eines der kostbarsten Kleinkunstwerke der alt 
deutschen Malerei, das Werk des Stephan Lochner, des 
Kölner Dommalers, einem Berliner Kunsthändler verkauft 
habe. Es war zu befürchten, daß dies künstliche kleine Werk, 
eine Anbetung des Kindes in der Hütte auf der vorderen, 
eine Kreuzigung Christi auf der Rückseite, ins Ausland ab 
wandern werde. Erfreulicherweise konnte aber das Bild für 
Berlin erhalten werden. Karl von der Heydt, der Berliner 
Sammler, hat die Tafel soeben erworben, gleichzeitig mit 
einem Werke des Schülers von Lochner, des sogenannten 
Meisters des Heisterbacher Altars, aus der früheren Sammlung 
Keltzer in Köln. Die Nachricht, daß Herr von der Heydt 
seine ganze Sammlung aufgegeben habe, bestätigt sich nicht. 
Er hat nur seinen Besitz an Werken des XVII. Jahrhunderts 
abgegeben: Rembrandt, Franz Hals, Rubens, van Dyck — 
dagegen die Werke des XV. und XVI. Jahrhunderts be 
halten. 
Handschriften. 
(Die Versteigerung des Medici-Archivs.) Wir haben 
schon mitgeteilt, daß es bezüglich des Medici-Archivs zu einer 
Einigung auf der Grundlage kam, daß die für Italien wichtigen 
Dokumente nach Florenz zurückwanderten, wogegen die 
übrigen freigegeben wurden und beiChristie in London zur 
Versteigerung kamen. Sei es aber nun, daß Italien zu viel inter 
essante Stücke zurückbehielt, oder daß das Interesse für die 
Briefe überschätzt wurde, das Ergebnis der Auktion betrug im 
ganzen L 3215. Manche zum Teil selbst kombinierte Nummem 
wurden für 5 Shilling oder wenig mehr abgegeben. Den höchsten 
Preis erreichten Briefe von Lorenzo il Magnifico (Nr. 77—310), 
die Gordon Seefridge um L 1155 erwarb. Demselben Käufer 
fielen auch um L 1152 die auf das Bankwesen der Medici bezüg-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.