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Filigmnbordüre schließt den äußeren Bilderrahmen ab. Das Filigran ist durch Edelsteine
und Perlen belebt. Der Verfasser weist nach, dass die frühere Anschauung, dies sei der
Feldaltar Karl's des Kühncn gewesen, unrichtig ist. Wir halten dafür, dass dem Verfasser
der Beweis gelungen sei, dass dieses Retabulum in Venedig für König Andreas lll. von
Ungarn am Ende des I3. Jahrhunderts verfertigt worden und wohl nach seinem Tode
in den Besitz seiner Gemahlin Agnes, Tochter Albrechfa von Oesterreich, gekommen
sei. Nachdem sie nach Königsfelden, wo Albrechfs Witwe ein Kloster gegründet, sich
zurückgezogen hatte, hinterließ sie nebst anderen Werthsachen auch dieses Retabel
diesem Kloster. - Wir nehmen diese Provenienz gerne an,weil im Reliquiensehatz
Sr. kbnigl. Hoheit des Herzogs von Cumberland ein Plenarium (Buch, dessen Deckel
mit Reliquien gefüllt ist) sich beündet, welches als schwächerer Ableger dieses Retabels
erscheint: dieselbe Disposition (zwei Rahmen um ein gemeinsames Centrum, das hier
ein Kreuzpartikel bildet), die Bildchen auf Pergarnent mit Goldgrund gemalt, dieselbe
Verwendung der Perlen auf den Bildchen, derselbe Wechsel von Bildchen mit Jaspis-
blattchen im äußeren Bilderrahmen. Nur fehlt im Braunschweiger Plenar das Filigran,
das durch ein einfaches gothisches Laub ersetzt ist, die Edelsteine sind viel sparlicher,
auf den Pergamentblattchen gar nicht angebracht. Diese Vereinfachung der Ausstattung
kann durch mancherlei Gründe bedingt sein; wir führen nur einen an: die Bestim-
mung des kleinen Kunstwerkes als Buchdeckel, an welchem das Filigran sicher nicht
gut anwendbar erschien. Nebstbei sei erwähnt, dass dieser Buchdeckel aus einem Schach-
brette entstanden ist, und dass daher dieser Wechsel von Jaspis- und Bergkrystall-
Quadraten im Rahmen sich erklärt; die Darstellungen aber, wie das Materiale (Jaspis)
sind fast gleich mit dem Aschaifenburger Brettspiel, welches Hefner-Alteneck, Trachten etc.
abbildet. So dEnet sich eine ziemlich bedeutende Perspective für einen Bestandtheil am
Berner Retabel. Da das Braunschweiger Plenar datirt ist, 131.9, so dürfte für das
Berner Reliquiar, welches als Vorbild diente, die Zeitbestimmung unseres Verfassers
sich als richtig erweisen. Aber wir haben den Eindruck, dass das Buch dieser Besta-
tigung seiner Angabe nicht bedarf. - XVas das Buch noch weiter enthält, die Ehren-
rettung der hochedlen Königin Agnes, muss ieden Historiker, besonders in Oesterreich-
Ungarn, interessiren, kann aber in unserem Blatte eben nur erwähnt werden. Dem sehr
sorgfaltig gearbeiteten Werke hatten wir ein schöneres Bucliformat, eine reichere Aus-
stattung gewünscht. Das größere Format hatte wie von selbst darauf geführt, die Ab-
bildung des Retabels größer und deutlicher zu machen. S0 wie sie ist, dient sie eigent-
lich nur zur Veranschaulichung der Disposition der Bilder; um irgend ein feineres Detail
auszunehmen, ist die Abbildung viel zu klein und zu verschwommen. Nnn.
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Vorbilder-Hefte aus dem kön. Kunstgewerbe-Museum. Herausgegeben von
J. Lessing. Heft t--4. Rahmen. Text von J. Lessing. Berlin, E.
Wasmuth. 1888. 4 Hefte in Fol. mit je 12 bis 13 Lichtdrucktafeln.
M. 40.-.
Da die Zeit der Masseneinkaufe augenscheinlich vorüber ist, sieht man die
großen ltunstgewerblichen Museen allmalig zu einer systematischen Nutzbarmachung
der aufgehauften Schatz: schreiten. Diesem Zwecke dient sowohl die Veröffentlichung
genauer Specialkataloge von Seiten der Direction des Wiener Museums, als auch die
vorliegende Publication des Berliner Kunstgewerbe-Museums. Handelt es sich aber der
Wiener Anstalt zunachst darum, dem Publicum einen möglichst vollständigen Einblick
in die Bestände ihrer Sammlungen zu verschaffen, etwa wie man durch einen Bücher-
katalog als Nachschlagebuch die Benutzung einer Bibliothek erleichtert, so sucht das
Berliner Vorbilderwerk, indem es zwar nur ausgewählte Stücke, aber durchwegs in guten
Abbildungen zur Schau bringt, unmittelbar den praktischen Bedürfnissen der Kunst-
gewerbetreibenden gerecht zu werden. Wie dieses Programm durchgeführt werden soll,
lasst sich aus den vorliegenden vier Heften, in denen eine stattliche Reihe von Rahmen
aus dem 15. bis I8. Jahrhundert vorgeführt wird, deutlich ersehen. Für die Wahl eines
Stückes zur Reproduction war lediglich die Frage maßgebend, ob dasselbe dem technisch-
stilistischen Begriße des Rahmens innerhalb der künstlerischen Geschmacksgrenze ent-
sprach. Das Material und die technische Ausführung im Einzelnen ist Nebensache, so
dass neben Holz auch Kupfer und Thon, Leder und Elfenbein Aufnahme fanden. Selbst
die Zugehbrigkeit in's Eigenthum des Museums erschien nicht als nothwendige Bedin-
gung für die Zulässigkeit unter die Vorbilder, sobald es sich entsprechend erwies, eine
Lücke durch Heranziehung von Gegenständen aus Privatbesitz auszufüllen. Während
somit der praktische Gesichtspunkt augenfallig als der maßgebendste erscheint, zeigt
sich die wissenschaftliche Absicht des Herausgebers vor Allem in der historischen An-