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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1888 / 8)

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5. Endlich bereichert sich der Darstellungskreis der Robbia-Schule- 
unter den Augen und der directen Mitwirkung Andrea's - noch durch 
einen wichtigen Zuwachs, den der Freifiguren. Allerdings erweisen 
sich diese als ein zweifelhafter Gewinn für die Fayenceplastik, die nur 
im Relief ihr volles Ausdrucksvermögen entwickeln kann. Sie hat nichts 
Statuarisches in ihrem Kunstcharakter; es lässt sich nicht wegleugnen, 
dass ihre freien Einzelfiguren waufthönernen Füßem stehen. Wir brauchen 
uns nur der Maiolikastatuen der heil. Franciscus und Bernhard in der 
Sacramentscapelle von S. Croce in Florenz zu erinnern; andere Beispiele 
sprechen noch deutlicher. Es sind plastische Spielfiguren ohne Energie 
in der Bezeichnung des Motivs. Eine höchst bedeutende Ausnahme ist die 
Gruppe der Heimsu chung in S. GiovanniFuorcivitas zu Pistoja, 
dem Fra Paolino herkömmlicherweise zugeschrieben, aber wahrscheinlich 
ein Werk Andrea's. Dieses Werk ist so edel und vollendet, weil es 
sich vom Reliefstil, der eigentlichen Sprachweise der Maiolikakunst, in 
keiner Weise entfernt. Genau genommen ist die in der seelenvollen Ge- 
berde und der Noblesse der Gewandung so herrliche Gruppe nur ein 
vom Hintergrunde losgelöstes Relief, und in diesem Sinne mit großer und 
sicherer Empfindung contourirt"). 
Ich habe den umfassenden Kunstbestand der Werkstatt Andrea's 
nach Art eines Inventars aufgenommen, damit uns keine Richtung dieser 
vielverzweigten artistischen Thätigkeit entgehen möge. Immerhin bleibt 
da die Frage offen: wie weit reicht das entschieden Persönliche, das 
genial Meisternde der ganzen Kunstweise, und an welchen Stellen häkeln 
sich die Seitentriebe gleichfalls persönlicher Bestrebungen zweiten Ranges 
an, die aber in den allgemeinen Schulbegriff aufgehen? Da ist es schließlich 
am gerathensten, das so schön und reichlich Geleistete unbefangen zu 
genießen, ohne sich allzu sehr durch die Frage nach der Herkunft 
kritisch zu beunruhigen. Ist doch der künstlerischen Thätigkeit der 
Robbia- Schule durchwegs die Bescheidenheit des Gattungscharakters als 
Merkmal eigen, und diese schließt von Vornherein die schärfere Be- 
tonung des Individuellen aus. 
S0 geht es denn auch schwer an, die Werke dieser Künstlerfamilie 
im Einzelnen zu charakterisiren, obgleich es für das hauptsächlich Be- 
zeichnende in diesem Aufsatze zum Theile versucht wurde. Eine sorge 
fältige Ueberschau und Gruppirung der Leistungen der della Robbia gibt 
das höchst schätzenswerthe Specialwerk von J. Cavalucci und Emil Mo- 
Iinier: wLes della Robbia. Leur vie et Ieur ouvres, d'apres des docurnents 
inedits. Paris 1884.: Demjenigen, der an Ort und Stelle diese liebens- 
') In der späteren Epoche der Robbia-Kunst tritt mehrfach die Büste auf, und 
da begegnen wir vorzüglichen Leistungen. Wo die Majolikaplastik sich auf den geistigen 
Ausdruck allein beschränken durfte, war sie stets im Vortheil. Hier wären z. B. die 
schönen Apostelkopfe (gegenwärtig im Hofe der Akademie von Florenz) zu erwähnen, 
welche Giovanni 1521. für die Certosa gearbeitet hatte.
	        
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