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dann der Hibiscus, die Heckenrose, wohl auch die gefüllte Rose, die
Mohnblume, die Granatenblüthe und die Primel aufzutreten. Piniennadeln,
vereinzelt auch das Blatt der Fächerpalme kommen der wechselnden Wir-
kung wegen hinzu; für die übrige Folie des Grüns dient das Weinlauh,
das Blatt der Erdbeere, das Feigenblatt u. s. w. Von Früchten findet sich
eine reiche Auslese: die Weintraube, die Citrone, der Granatapfel, der
Mohn, dann vielleicht die Quitte (oder sonst eine apfelarlige Frucht), die
Melanzana, die Gurke, der ziemlich häufig verwendete Pinienzapfen. Doch
sind dies -- wie schon bemerkt -- nur beiläufige Bestimmungen, beson-
ders bezüglich der Blumenarten.
Kurz vor ihrem Ahblühen nimmt die Majolikaplasrik in einem ver-
einzelten großen Werke noch eine interessante Wendung. Sie wird da
wieder monumental, wie sie es im Anfange gewesen und tritt in einen I
Zusammenhang mit der Architektur, aber Inhalt und Charakter der Dar!
stellung ist allerdings ein wesentlich anderer geworden. Ich rede hier von
dem merkwürdigen Fries über der Halle des Ospedale del
Ceppo zu Pistoja und den Medaillons darunter in den Bogenzwickeln.
Die Halle selbst wurde 1514 errichtet, unter dem ersten Hospitals-
vorsteher Messer Leonardo di Giovanni Buonafe aus Florenz, einem
reichen und freigebigen Karthäuser, welcher dieser Stiftung eine bedeutende
Dotation zuwandte '). Eines der Rundreliefs weist das Datum 1525 auf;
bis dahin wird der Fries mit den Medaillons in der Hauptsache fertig
gestellt worden sein. Man nennt meistens Giovanni della Robbia als den
Schöpfer dieses bedeutsamen Werkes; aber dasselbe ist von seinen be-
glaubigten Arbeiten so grundverschieden, dass wir uns mit dieser Annahme
kaum zufrieden geben können. Wilhelm Bode spricht die Vermuthung
aus, dass vielleicht Santi di Michele, genannt Buglione (t4g4-r576) der
Schüler des Florentiners Benedetto Buglioni, von welchem die schöne
Portallunette der Badia von Florenz herrührt, einen Antheil an dem Fries
des Ceppo von Pistoja gehabt habe").
Wer es immer gewesen sein mag, es war sicherlich ein origineller
Künstler, der der Majolikaplastik eine neue Seite des Ausdruckes abge-
wann. Die Werke der Barmherzigkeit, die in den inneren Räumen des
Gebäudes thatsächlich geübt wurden, sind hier im Zeitcostum dargestellt.
Die allegorischen Figuren der Tugenden, zwischen ornamentirten Pilastern
eingestellt, bilden die verticalen Abtheilungen der langgestreckten Fries-
bilder, gleichsam die Triglyphen zwischen jenen glasirten Metopen. Es
wird uns da ein Stück Sittengeschichte aus den ersten Jahrzehnten
des 16. Jahrhunderts vorgeführt: wir erhalten ein urkundliches Bild der
') Vusari, Ausgabe v. Milnneei. H. Bd. S. m7. -Commentario alla Vila di Luca
della Robbimu
") Burckhardfs lCiCGIOIIGI, 5. Auflage, bearbeitet von W. Bude. 1884. II. Theil,
z. Bd. S. 372.